Bewegungen mit konstanter Beschleunigung¶
Das Modell einer Bewegung mit konstanter Beschleunigung stellt eine Verallgemeinerung einer Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit dar. Hat ein sich bewegendes Objekt insbesondere eine konstante Beschleunigung mit einem Wert von Null, so bewegt es sich mit konstanter Geschwindigkeit fort; Eine Bewegung mit konstanter Gschwindigkeit kann also Spezialfall einer beschleunigten Bewegung angesehen werden.
Durch das Einbeziehen von Beschleunigungen wird berücksichtigt, dass keine abrupten, sondern stets nur kontinuierliche Geschwindigkeitsänderungen möglich sind. Die allgemeinen Zusammenhänge zwischen Geschwindigkeitsänderung, Beschleunigung und Zeit beziehungsweise Wegstrecke werden im folgenden Abschnitt zunächst für geradlinige, dann auch für zusammengesetzte Bewegungsvorgänge näher beschrieben.
Eindimensionale Bewegungen mit konstanter Beschleunigung¶
Bei einer Bewegung mit konstanter Beschleunigung nimmt die Geschwindigkeit eines Objekts in gleichen Zeitabschnitten um den jeweils gleichen Betrag zu beziehungsweise ab.
Definition:
Die Beschleunigung eines sich geradlinig bewegenden Objekts ist gleich dem Verhältnis aus der Geschwindigkeitsänderung und der dazu benötigten Zeit :
(1)¶
Einheit:
Die Beschleunigung wird in Meter je Quadratsekunde angegeben.
Beispiele:
- ist die Beschleunigung eines Objekts, dessen Geschwindigkeit sich in um ändert.
- Ein Fahrzeug, das in einer Zeit von von auf angetrieben wird, weist eine Beschleunigung von auf.
- Die Beschleunigung die ein Objekt im freier Fall auf der Erde erfährt („Erdbeschleunigung“), beträgt rund . Häufig wird diese Beschleunigung, die bei vielerlei physikalischen Vorgängen eine Rolle spielt, mit dem Buchstaben bezeichnet und Ortsfaktor genannt.
Bei längeren Bewegungsvorgängen können aufeinander folgende Zeitabschnitte unterschiedliche Beschleunigungen aufweisen. Beispielsweise beschleunigt ein Sprinter zunächst gleichmäßig, bis er seine Höchstgeschwindigkeit erreicht hat, hält diese Geschwindigkeit (möglichst) konstant bis zum Ziel, und bremst nach der Ziellinie wieder gleichmäßig ab. Derartige Bewegungsvorgänge lassen sich oftmals abschnittsweise durch jeweils konstante (Durchschnitts-)Beschleunigungen beschreiben.
Beschleunigung und Geschwindigkeit
Aus Gleichung (1) folgt, dass sich die Geschwindigkeit bei einer konstanten Beschleunigung in gleichen Zeitabschnitten kontinuierlich um den Wert verändert.
Kennt man die (konstante) Beschleunigung eines Objekts und weiß, über welchen Zeitabschnitt die Beschleunigung anhält, so kann man im Allgemeinen jedoch nicht angeben, wie groß die Geschwindigkeit des Objekt zur Zeit ist. Hierzu muss man zusätzlich wissen, wie groß die anfängliche Geschwindigkeit des Objekts war. Für den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit gilt also:
Zeichnet man ein -Diagramm einer solchen Bewegung, so entspricht der Graph der Geschwindigkeit einer Geraden.
Die Steigung einer -Geraden hat folgende Bedeutung:
- Umso steiler die Geschwindigkeit-Zeit-Gerade ist, desto größer ist die Beschleunigung.
- Ist die Beschleunigung des beobachteten Objekts gleich Null, so entspricht die Geschwindigkeit-Zeit-Linie einer waagrechten Geraden. Dies gilt gleichermaßen für ruhende und sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegende Objekte.
- Eine Beschleunigung entgegen der ursprünglich als „positiv“ festgelegten Raumrichtung erhält ein negatives Vorzeichen – egal, ob das beobachtete Objekt ruht oder sich mit einer konstanten Geschwindigkeit fortbewegt. Dies hat – je nach Wert der Anfangsgeschwindigkeit – eine Beschleunigung „in Gegenrichtung“ beziehungsweise ein kontinuierliches Abbremsen zur Folge.
Aus einem -Diagramm kann also die Beschleunigung zu einem Zeitpunkt ermittelt werden, indem man an dieser Stelle nicht den Wert, sondern die Steigung der Diagramm-Linie betrachtet. Beispielsweise gilt für einen Bremsvorgang , während für die Geschwindigkeitsänderung (und somit für die Steigung des Graphen) gilt.
Beschleunigung und Wegstrecke
Zeichnet man in ein -Diagramm die zurückgelegte Wegstrecke in Abhängigkeit von der Zeit ein, so hat der Graph bei einer beschleunigten Bewegung ein parabelförmigen Verlauf. Die konkrete Form der Parabel hängt von der Anfangsgeschwindigkeit und der anfänglichen Entfernung des Objekts vom Beobachter (Koordinatenursprung) ab.
Wegstrecken in -Diagrammen ablesen
Zunächst soll angenommen werden, dass zum Zeitpunkt die Bewegung am Koordinatenursprung mit einer Startgeschwindigkeit von beginnt. In diesem Fall gilt:
(2)¶
Diesen Zusammenhang kann man sich anschaulich erklären, indem man bedenkt, dass sich eine zurückgelegte Wegstrecke letztlich ein Produkt aus Geschwindigkeit und Zeit darstellt. Stellt man sich den Zeitabschnitt , in dem die Beschleunigung stattfindet, nochmals in viele kleine Zeitabschnitte , , usw. unterteilt vor (wie bei einer Betrachtung des Vorgangs mit Stroboskop-Licht), so kann man in diesen kurzen Momenten die jeweiligen Geschwindigkeiten , , usw. jeweils in guter Näherung als konstant annehmen.
Bei einer solchen Aufteilung in viele kleine Zeitschritte mit jeweils konstanten Geschwindigkeiten lassen sich die in den einzelnen Zeitschritten zurückgelegten Wegstrecken mittels der Formel berechnen; die Einzelergebnisse können dann zum Gesamtergebnis aufsummiert werden. In einem -Diagramm entsprechen die so berechneten einzelnen Wegstrecken den Rechteck-Flächen zwischen der (stufenförmigen) Geschwindigkeit und der -Achse.
Ist die Beschleunigung konstant, so nimmt die Geschwindigkeit des sich bewegenden Objekts linear mit der Zeit zu. Der Mittelwert der einzelnen Geschwindigkeiten während des Beschleunigungsvorgangs entspricht wiederum der Durchschnittsgeschwindigkeit des Objekts:
(3)¶
Mit wird hierbei wiederum die Geschwindigkeit zu Beginn der Beschleunigung, mit die (End-)Geschwindigkeit zum Zeitpunkt bezeichnet. Ist insbesondere die Startgeschwindigkeit , so ist , also gleich der Hälfte der Endgeschwindigkeit. In diesem Fall gilt somit für die während des Beschleunigungsvorgangs zurückgelegte Wegstrecke:
Der Hintergedanke bei dieser Gleichung ist, dass während des Beschleunigungsvorgangs – über alle kleinen Zeitschritte gemittelt – die durchschnittliche „Höhe“ der Rechtecke gleich der Durchschnittsgeschwindigkeit ist; die Gesamt-Fläche zwischen der -Linie und der -Achse ist also identisch mit der Fläche, die man erhält, wenn man die Durchschnittsgeschwindigkeit mit multipliziert.[1]
Die gleiche Überlegung trifft ebenso zu, wenn die Anfangsgeschwindigkeit ist. In diesem Fall gilt für die Durchschnittsgeschwindigkeit:
Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist also allgemein gleich dem Mittelwert zwischen der Start- und Endgeschwindigkeit; bei einer konstanten Beschleunigung wird sie zur Hälfte der Beschleunigungszeit , also zum Zeitpunkt erreicht. Setzt man wiederum diesen Term für in die Bewegungsgleichung ein, so erhält man:
(4)¶
Diese Gleichung gibt allgemein den Zusammenhang zwischen der zurückgelegten Wegstrecke , der Beschleunigung , der Anfangsgeschwindigkeit und der Zeitdauer an.
Die allgemeine Bewegungsgleichung
Die Gleichung (4) ist tatsächlich eine Verallgemeinerung der bislang betrachteten Fälle:
Ist die Beschleunigung , so erhält man die Ortsgleichung für Bewegungen mit konstanter Geschwindigkeit:
Ist die Anfangsgeschwindigkeit , so erhält man die Ortsgleichung (2) für Bewegungen mit konstanter Beschleunigung ohne Anfangsgeschwindigkeit:
Man kann sich eine beschleunigte Bewegung mit Anfangsgeschwindigkeit also als zwei Prozesse vorstellen, die gleichzeitig ablaufen, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen (einmal die Bewegung mit der konstanten Anfangsgeschwindigkeit und einmal die Bewegung mit der konstanten Beschleunigung ohne Anfangsgeschwindigkeit). Beide Teilprozesse können somit getrennt voneinander betrachtet und ihre Effekte addiert werden.
Den konkreten Ort eines Objekts erhält man schließlich, indem man bei der Bewegung dessen anfängliche Entfernung vom Koordinatenursprung mit berücksichtigt:
(5)¶
Diese Formel genügt in Kombination mit der Formel bereits, um den Ort sowie die Geschwindigkeit eines Objekts zu jedem beliebigen Zeitpunkt angeben zu können, sofern die Startwerte bekannt sind und die Beschleunigung konstant ist.[2]
Die Bremsformel¶
Insbesondere für Bremsvorgänge gibt es eine weitere nützliche Formel, die sich aus der obigen Gleichung (4) herleiten lässt.[3] Mit einer Anfangsgeschwindigkeit gilt für den Zusammenhang zwischen , und :
(6)¶
Diese Gleichung wird häufig „Bremsformel“ genannt; im Fall lässt sich damit der Bremsweg bei bekannter Anfangsgeschwindigkeit und Beschleunigung unmittelbar berechnen. Die „Bremsformel“ lässt sich allerdings auch allgemein auf Bewegungen mit konstanter Beschleunigung anwenden und erleichtert insbesondere dann das Rechnen, wenn in der Aufgabenstellung keine Zeitangabe enthalten ist.
Reaktionszeit und Anhalteweg
Um die gesamte Strecke zu berechnen, die ein Fahrzeug zum Anhalten benötigt, muss neben dem Bremsweg auch die Wegstrecke berücksichtigt werden, die der Fahrer während der Reaktionszeit zurücklegt. Es gilt also:
Während der Reaktionszeit, die oftmals vereinfacht als „Schrecksekunde“ angenommen wird, bewegt sich das Fahrzeug mit der konstanten Geschwindigkeit weiter. Es ergibt sich somit mit :
Der Bremsweg (und somit auch der Anhalteweg) nimmt bei der gleichen Bremsbeschleunigung quadratisch mit der Geschwindigkeit zu; aus diesem Grund sind in Ortschaften sowie an unübersichtlichen Stellen Geschwindigkeitsbegrenzungen für die Verkehrssicherheit wichtig.
Beschleunigungen und Kräfte
Beschleunigungen treten allgemein dann auf, wenn eine resultierende Kraft auf einen Gegenstand einwirkt; für die Beschleunigung gilt dabei , wobei für die Masse des Gegenstands steht. Kennt man also die auf einen Gegenstand einwirkenden Kräfte, so kann mittels der obigen Formeln auch dessen Bewegung vorhergesagt werden; umgekehrt können aus berechneten oder gemessenen Beschleunigungswerten auch die entsprechenden Kräfte abgeschätzt werden.
Anmerkungen:
[1] | Eine andere, gleichwertige Überlegung ist, dass die Fläche zwischen der -Linie und der -Achse ein Dreieck darstellt. Dieses Dreieck entspricht genau der Hälfte des Rechtecks, das man erhält, wenn man mit multipliziert. In beiden Fällen sind die berechneten Flächen identisch. |
[2] | Bei nicht konstanten Beschleunigungen müsste der Prozess in Teilabschnitte mit jeweils konstanten (Durchschnitts-)Beschleunigungen zerlegt werden. Die ist meist mit erheblich mehr Rechenaufwand verbunden und wird kaum ohne Hilfe von Computern berechnet. |
[3] | Die Bremsformel (6) lässt sich durch folgende Umformungen auf die ursprünglichen Gleichungen (1) und (2) zurückführen: |
Hinweis
Zu diesem Abschnitt gibt es Experimente und Übungsaufgaben.