Mechanik der Flüssigkeiten¶
In der Hydrodynamik werden die mechanischen Eigenschaften von Flüssigkeiten, insbesondere von Wasser, untersucht.
Druck in Flüssigkeiten¶
Flüssigkeiten lassen sich durch mechanische Belastung (fast) nicht zusammenpressen („komprimieren“). Dies gilt sowohl für von außen wirkende Kräfte wie auch für den so genannten „Schweredruck“, der sich aus dem Eigengewicht der Flüssigkeit ergibt.
Kolbendruck
Übt man mit einem Kolben eine Kraft auf eine Flüssigkeit aus, die sich in einem geschlossenen Behälter befindet, so bleibt das Volumen der Flüssigkeit unverändert; allerdings baut sich im Inneren der Flüssigkeit ein „Gegendruck“ auf, der die von außen einwirkende Kraft ausgleicht.
In einer Flüssigkeit oder in einem Gas wirkt der Kolbendruck stets in alle Raumrichtungen gleich stark („Pascalsches Prinzip“). Wird beispielsweise von links Druck auf Wasser ausgeübt, das sich in einem durchlöcherten Schlauch oder einem so genannten „Druckfortpflanzungs-Apparat“ befindet, so tritt das Wasser an den allen Öffnungen senkrecht zur Oberfläche aus.[1]
Definition:
Einheit:
Die Grundeinheit des Drucks, die sich aus der obigen Formel ergibt, ist nach Blaise Pascal benannt. Für ein Pascal gilt folgender Zusammenhang:
Größere Drücke, wie sie in der alltäglichen Praxis des öfteren anzutreffen sind, werden häufig in der Einheit „Bar“ angegeben. Dabei gilt:
Ein Bar entspricht auf der Erde in etwa der Größe des Luftdrucks in Bodennähe.
Der gegebenenfalls auf ein Fluid einwirkende Kolbendruck sowie der im nächsten Abschnitt behandelte Schweredruck werden in Summe auch als statischer Druck bezeichnet. Diese Druckformen treten sowohl in ruhenden wie auch in sich bewegenden Fluiden auf und wirken an einer gegebenen Stelle stets in alle Raumrichtungen gleichermaßen.
Schweredruck
Durch das Eigengewicht der Flüssigkeit wird innerhalb der Flüssigkeit ein mit zunehmender Tiefe immer größer werdender Schweredruck hervorgerufen; dieser wirkt in einer bestimmten Tiefe in alle Raumrichtungen gleich stark.
Die Größe des Schweredrucks lässt sich berechnen, wenn man das Volumen einer Flüssigkeitssäule mit einer Grundfläche und einer Gewichtskraft betrachtet.
Am Boden der Flüssigkeitssäule gilt:
Die Masse der Flüssigkeit kann auch als Produkt aus ihrer Dichte und ihrem Volumen geschrieben werden. Das Volumen der Flüssigkeit wiederum entspricht dem Produkt aus der Grundfläche und der Höhe des betrachteten Quaders. Es gilt also:
Setzt man in die obere Gleichung ein, so kann die Fläche im Zähler und Nenner gekürzt werden. Es ergibt sich damit folgende Formel:
(2)¶
Der Schweredruck in einer Flüssigkeit hängt, da der Ortsfaktor konstant ist, nur von der Dichte der Flüssigkeit und der Höhe der Flüssigkeitssäule ab.
Beispiel:
Wie hoch ist der Schweredruck des Wassers in unterhalb der Wasseroberfläche?
Für den Schweredruck gilt mit :
Der Schweredruck des Wassers in beträgt somit knapp , also rund .
Um Verwechslungen zu vermeiden, wird die Angabe des Schweredrucks in einer Flüssigkeit häufig um die Angabe ergänzt. Dieses Kürzel steht für „Manometer-Druck“ und soll darauf hindeuten, dass sich die Druckangabe relativ zum Luftdruck bezieht. Addiert man beispielsweise zu dem Schweredruck von noch den Luftdruck dazu, der ebenfalls groß ist, so erhält man als „absoluten“ Druck, der in dieser Tiefe vorherrscht.
Die Zunahme des Schweredrucks mit der Tiefe ist unabhängig von der Form der darüber liegenden Wassersäule. Dieses als „hydrostatisches Paradoxon“ bekannte Prinzip kann man beispielsweise mittels einer Anordnung von unterschiedlich geformten Glasgefäßen zeigen, die untereinander durch Wasserleitungen verbunden sind („kommunizierende Gefäße“). Bei einer solchen Anordnung ist das Wasserniveau in allen Gefäßen gleich hoch – ein höheres Wasserniveau in einem der Gefäße hätte einen höheren Wasserdruck auf die unteren Wasserschichten in diesem Gefäß zur Folge, wodurch wiederum Wasser von dort in die übrigen Gefäße gepresst würde. Dieses Prinzip wird nicht nur zur Konstruktion von Siphons als „Geruchstopper“ verwendet (beispielsweise an Waschbecken), sondern ebenso, um mittels so genannter „Schlauchwaagen“ – ähnlich wie mit Wasserwaagen – über sehr große Entfernungen hinweg eine waagrechte Ausrichtung von Gegenständen zu erreichen.
Druckmessung¶
Die Zunahme des Schweredrucks mit der Höhe der Wassersäule wird bei so genannten „U-Rohr-Manometern“ zur Druckmessung genutzt. Als „Manometer“ bezeichnet man allgemein Druckmessgeräte, die einen externen, relativ zum Luftdruck vorherrschenden Druck messen.
Wird auf ein Ende eines mit einer Flüssigkeit gefüllten U-Rohrs ein externer Druck ausgeübt, so wird durch diesen die Flüssigkeit in die andere Hälfte des U-Rohrs verdrängt. Dies erfolgt so lange, bis sich in der anderen Hälfte durch die höhere Wassersäule ein hinreichend großer Schweredruck aufgebaut hat, der dem externen Druck entgegenwirkt.
Im Gleichgewichtsfall gilt:
(3)¶
Durch diesen Zusammenhang kann unmittelbar die gesuchte Größe bestimmt werden. Schreibt man , so folgt:
(4)¶
Zur Messung des externen Drucks muss somit lediglich der sich einstellende Unterschied der Füllhöhen, also eine Länge gemessen werden. Da der Zusammenhang direkt proportional beziehungsweise linear ist, kann durch eine Kalibrierung auf eine bestimmte Flüssigkeit auch eine entsprechende Skala mit Druckwerten angebracht werden. Für kleine zu messende Druckwerte verwendet man eine Flüssigkeit mit geringer Dichte, für hohe Drücke eine Flüssigkeit mit hoher Dichte, damit ein entsprechend großer Gegendruck durch die Schwere des Fluids zustande kommt.
Genau genommen muss bei der Herleitung des Druck-Gleichgewichts in einem U-Rohr (Gleichung (3)) auch noch der Luftdruck berücksichtigt werden. Dieser wirkt allerdings gleichermaßen auf beide Seiten des U-Rohrs ein und hat daher keinen Einfluss auf das Gleichgewicht. Wäre allerdings das rechte Ende des U-Rohrs oben abgeschlossen und luftleer, so müsste man den dann nur auf die linke Seite einwirkenden Luftdruck berücksichtigen; in diesem Fall spricht man von einem Barometer, das üblicherweise zur Messung des Luftdrucks verwendet wird.
Hydraulische Anlagen und Druckwandler¶
Eine wichtige technische Anwendung der Inkompressibilität und gleichmäßigen Druckausbreitung in Flüssigkeiten sind hydraulische Anlagen. Hierbei wird auf der einen Seite eine (verhältnismäßig) schwache Kraft auf einen Kolben mit möglichst geringem Durchmesser ausgeübt. Der durch den Kolben ausgeübte Druck , also das Verhältnis aus der ausgeübten Kraft und der Querschnittsfläche des Kolbens, entspricht in guter Näherung dem insgesamt in der Flüssigkeit wirkenden Druck, da gegenüber ihm der Schweredruck meist vernachlässigbar klein ist.
Auf der anderen Seite der hydraulischen Anlage befindet sich ein zweiter Kolben mit (verhältnismäßig) großer Querschnittsfläche . Da innerhalb der Flüssigkeit der Kolbendruck an allen Stellen gleich groß ist, wird beim Hineinpressen des kleinen Kolbens eine Kraft auf den großen Kolben ausgeübt, die um das Verhältnis der Kolbenflächen verstärkt ist:
(5)¶
Diese zunächst unerwartete Tatsache, dass eine kleine schwache Kraft auf den kleinen Kolben eine große Kraft am großen Kolben bewirkt, kann man sich anschaulich damit erklären, dass am großen Kolben wesentlich mehr Flüssigkeits-Teilchen „anstoßen“ als am kleinen; die unter Druck gesetzte Flüssigkeit kann daher in Richtung des großen Kolbens auch leichter zusätzlichen Raum einnehmen. Vergleichsweise kann man sich als Merkhilfe auch vorstellen, dass man zum Abdichten eines kleinen Lochs in einer Wasserleitung weniger Kraft braucht als bei einem großen Loch, obwohl der Wasserdruck in beiden Fällen gleich ist.
Eine hydraulische Anlage stellt somit ebenfalls einen Kraftwandler dar. Die goldene Regel der Mechanik gilt unverändert: Um den großen Kolben um eine Höhe anzuheben, muss man den kleinen Kolben um eine entsprechend längere Wegstrecke bewegen. Es gilt mit der obigen Gleichung (5):
Hierbei kann man die Kraft , die als gemeinsamer Faktor auf beiden Seiten der Gleichung auftritt, kürzen. Für das Verhältnis der zurückgelegten Wegstrecken folgt damit:
(6)¶
Um den großen Kolben nennenswert nach oben zu bringen, müsste der kleine Kolben wesentlich länger sein. Als Alternative hierzu kann ein Ventil-System und ein Reservoire mit Hydraulik-Flüssigkeit verwendet werden. Während des „Hochpumpens“ der Last wird aus dem Reservoire nachgetankt; zum Herablassen der Last muss hingegen ein Verschluss-Mechanismus geöffnet werden, so dass die Hydraulik-Flüssigkeit durch das Gewicht der Last wieder zurück in das Reservoire gedrückt wird. Hydraulische Anlagen werden in der Praxis unter anderem in Lastenhebern, in Münzpressen sowie in Bremsanlagen von Fahrzeugen eingesetzt.
Ein zweites wichtiges Prinzip bei der technischen Verwendung von Fluiden sind so genannte Druckwandler. Diese bestehen im Wesentlichen aus zwei Rohren mit unterschiedlichem Durchmesser und einer sich zwischen den beiden Rohren befindenden Kolbenstange.
Von den beiden Fluiden und wird jeweils aufgrund der darin vorherrschenden Drücke eine Kraft auf den Kolben ausgeübt. Im Gleichgewichtsfall müssen diese beiden Kräfte und gleich groß sein:
Die in den beiden Fluiden vorherrschenden Drücke sind im Gleichgewichtsfall somit umgekehrt proportional zu den Querschnittsflächen und des Kolbens:
(7)¶
In der praktischen Anwendung wird dieses Prinzip beispielsweise folgendermaßen verwendet: Auf der linken Seite wird die Druckluft eines Kompressors als Fluid verwendet; der Druck liegt dabei bei etwa . Durch den Druckwandler wird damit auf das Fluid der rechten Seite, beispielsweise Hydraulik-Öl, ein wesentlich höhererer Druck ausgeübt; mit diesem Druck kann wiederum eine hydraulische Anlage betrieben werden. Dieses Prinzip wird unter anderem in industriellen Einspann-Vorrichtung verwendet.
Statischer Auftrieb in Flüssigkeiten¶
Ist ein Körper mit einem Volumen von einer Flüssigkeit umgeben, so erfährt er durch diese eine Auftriebskraft Diese resultiert aus der Tatsache, dass der Schweredruck innerhalb einer Flüssigkeit mit der Tiefe zunimmt.
Die horizontalen Kräfte, die durch den Druck der umgebenden Flüssigkeit auf den Körper einwirken, sind jeweils paarweise gleich groß und heben sich in ihrer Wirkung gegenseitig auf (sofern der Körper nicht komprimierbar ist). Die nach unten beziehungsweise oben gerichteten Kräfte und hingegen sind aufgrund der Druckdifferenz unterschiedlich groß.
Bezeichnet man mit die Grund- beziehungsweise Deckfläche des Körpers, so gilt:
Die Auftriebskraft ist mit der Kraftdifferenz identisch. Zur Berechnung ihres Betrags kann nach Gleichung (2) für den Schweredruck beziehungsweise wiederum beziehungsweise eingesetzt werden, wobei die Dichte der Flüssigkeit bezeichnet:
Hierbei bezeichnen und die Eintauchtiefen der Ober- beziehungsweise Unterseite des Körpers, ihre Differenz entspricht der Höhe des Körpers. Mit ergibt sich für die Auftriebskraft folgende Formel:
(8)¶
Der Betrag der Auftriebskraft hängt somit ausschließlich von der Dichte der Flüssigkeit und dem Volumen des eintauchenden Körpers ab.
Archimedisches Prinzip und Dichtemessung
Jeder Festkörper verdrängt beim Eintauchen ebenso viel Volumen an Flüssigkeit wie er selbst an Volumen besitzt; dieser empirisch gefundene Sachverhalt wird nach seinem Entdecker Archimedes auch als „Archimedisches Prinzip“ bezeichnet. Da folglich gilt, kann man auf den Index verzichten und einfach für das Volumen des eintauchenden Körpers beziehungsweise der verdrängten Flüssigkeit schreiben. Die Auftriebskraft ist also gleich der Gewichtskraft der verdrängten Flüssigkeit:
Dieser Zusammenhang kann genutzt werden, um mittels einer Messung der Gewichtskraft eines Körpers in Luft und der verringerten Gewichtskraft in Wasser einerseits die Auftriebskraft und gleichzeitig, da die Dichte bekannt ist, auch die Dichte des Körpers zu berechnen:
Eine andere Methode zur Bestimmung der Dichte von Festkörpern besteht darin, die Masse des jeweiligen Gegenstands mit Hilfe einer Waage zu ermitteln und mittels eines Messzylinders oder eines Überlaufgefäßes die scheinbare Volumenzunahme der Flüssigkeit beim Eintauchen des Festkörpers zu messen.
Schwimmen, Sinken und Schweben
Die Dichte des Körpers hat keine Auswirkung auf die Auftriebskraft, entscheidet aber darüber, ob er in der Flüssigkeit aufsteigt (schwimmt), unverändert an gleicher Stelle bleibt (schwebt) oder sich nach unten bewegt (sinkt).
Ist , so ist die Gewichtskraft des Körpers größer als die Auftriebskraft , die der Körper durch das Eintauchen in die Flüssigkeit erfährt.
In diesem Fall sinkt der Körper nach unten. Die resultierende Kraft (seine „scheinbare“ Gewichtskraft ) ist gleich der Differenz aus Gewichts- und Auftriebskraft, also:
Ist , so ist die Gewichtskraft des Körpers gleich der Auftriebskraft .
In diesem Fall „schwebt“ der Körper, behält also seine Position bei.
Ist , so ist die Gewichtskraft des Körpers kleiner als die Auftriebskraft
In diesem Fall schwimmt der Körper an der Oberfläche beziehungsweise steigt nach oben. Auch in diesem Fall ist die resultierende Kraft gleich der Differenz aus Gewichts- und Auftriebskraft. Taucht der Körper vollständig ein, so ist sie nach oben (zur Oberfläche der Flüssigkeit hin) gerichtet:
Ein schwimmender Körper befindet sich zum Teil über, zum Teil in der Flüssigkeit. Er taucht soweit ein, bis sich ein Gleichgewicht zwischen seiner Gewichtskraft und der Auftriebskraft einstellt:
Hierbei kann man den Ortsfaktor , der auf beiden Seiten der Gleichung auftritt, kürzen. Löst man die verbleibende Gleichung nach dem eintauchenden Volumen-Anteil des Körpers auf, so folgt:
Der eintauchende Anteil des Körpervolumens entspricht also dem Verhältnis der Dichten des schwimmenden Körpers und der Flüssigkeit.[3]
Dieses Prinzip wird beispielsweise bei so genannten Senkwaagen („Aräometer“) genutzt. Diese bestehen aus einem hohlen Glaskörper mit einem Volumen , der am unteren Ende mit Bleischrot gefüllt ist und am oberen Ende eine Skala zum unmittelbaren Ablesen der Flüssigkeitsdichte enthält. Je geringer die Dichte der Flüssigkeit ist, desto tiefer taucht das Aräometer in die Flüssigkeit ein.
Die genannte Form des Auftriebs wird „statischer“ Auftrieb genannt. Es gilt sowohl, wenn sich der eintauchende Körper und die Flüssigkeit relativ zueinander bewegen als auch wenn sich Körper und Flüssigkeit in der Ruhelage befinden.
Kontinuitäts- und Bernoulli-Gleichung¶
Fließt eine Flüssigkeit kontinuierlich durch ein Rohrleitungssystem ohne Speichermöglichkeiten, so strömt in jedes beliebige Volumenelement immer genauso viel Masse hinein wie auch wieder heraus strömt („Kontinuitätsbedingung“). Kann die Reibung vernachlässigt werden und ist die Flüssigkeit inkompressibel, so muss damit an engen Stellen des Rohrsystems eine höhere Strömungsgeschwindigkeit auftreten als an Bereichen mit weitem Rohrquerschnitt.
Die Kontinuistätsgleichung
Dieser Effekt lässt sich durch eine Formel auch quantitativ bestimmen. Ist die Flüssigkeit inkompressibel, so ist ihre Dichte an allen Stellen gleich. Wegen gilt für den fließenden Masse-Strom ; soll der Masse-Strom konstant bleiben, so muss aufgrund der konstanten Dichte folglich auch der Volumen-Strom an allen Stellen gleich sein:
Das Volumen der Flüssigkeit wiederum lässt sich als Produkt der Querschnittsfläche des betrachteten Rohrstücks und der durchlaufenen Strecke beschreiben. Somit gilt:
Durch zwei benachbarte Rohrstücke mit den Querschnitten und fließt aufgrund der Kontinuitätsbedingung stets ein gleicher Massen- beziehungsweise Volumenstrom. Für die Strömungsgeschwindigkeiten und in den Rohrstücken gilt also:
Bei einer reibungslosen Flüssigkeit verhalten sich die Strömungsgeschwindigkeiten somit umgekehrt proportional zum Rohrquerschnitt.
Die Bernoulli-Gleichung
Überprüft man mit einem Manometer an verschiedenen Stellen der Rohrleitung den statischen Druck der Flüssigkeit, so zeigt sich, dass an den engen Stellen mit größeren Geschwindigkeiten geringere statische Druckwerte gemessen werden. Diese zunächst etwas verblüffend wirkende Tatsache wird als „hydrodynamisches Paradoxon“ bezeichnet.
Man kann dieses Phänomen dadurch erklärt, dass an allen Stellen der Flüssigkeit ein gleich großer Gesamtdruck vorliegt. Dieser Gesamtdruck wiederum ist gleich der Summe des statischen Drucks und des dynamischen Drucks („Staudruck“) der Flüssigkeit:[4]
(9)¶
Dieser Zusammenhang wird als Bernoulli-Gleichung bezeichnet: Nimmt in einem geschlossenen Rohrsystem der dynamische Druck aufgrund einer zunehmenden Strömungsgeschwindigkeit zu, so muss gleichzeitig der statische Druck abnehmen.
Während der statische Druck gleichmäßig in alle Richtungen wirkt, wirkt der dynamische Druck ausschließlich auf Flächen, die senkrecht zur Strömungsrichtung stehen.
Formal hat die Bernoulli-Gleichung eine große Verwandschaft mit dem Energie-Erhaltungssatz der Mechanik: Dieser besagt, dass in einem isolierten System ohne Reibungseffekte die Summe aus potentieller und kinetischer Energie erhalten bleibt:
Tatsächlich erhält man die Bernoulli-Gleichung, wenn man in der obigen Gleichung zunächst schreibt und anschließend die Gleichung durch dividiert. Der Gesamtdruck in einem geschlossenen Rohrsystem entspricht somit einer Energiedichte.
Die Bernoulli-Gleichung wird in zahlreichen technischen Bereichen genutzt:
- Bei einer Wasserstrahlpumpe lässt man Wasser durch eine sich verengendes Rohrstück strömen. Mit der zunehmenden Wassergeschwindigkeit an der offenen Engstelle nimmt der ausschließlich in Strömungsrichtung wirkende dynamische Druck zu, der allseitig wirkende statische Druck hingegen ab. Als Folge davon wird Luft (oder ein anderes Fluid) durch den Seitenstutzen „angesaugt“.
- Zerstäuber in Sprayflaschen funktionieren auf ähnliche Weise: Vor der Düse sorgt eine schnelle Luftströmung für eine Reduzierung des statischen Luftdrucks und damit für ein „Ansaugen“ der Flüssigkeit in dem Zerstäuberrohr.
- Mit einer so genannten Messblende kann die Strömungsgeschwindigkeit eines Fluids in einer Röhre bestimmt werden.
Das obige Bernoulli-Prinzip gilt nicht nur für Flüssigkeiten, sondern auch für Gase, wobei es für die Flugfähigkeit von Körpern von entscheidender Bedeutung ist („dynamischer Auftrieb“). In beiden Fällen müssen allerdings bei kleinen Rohrdurchmessern und/oder hohen Strömungsgeschwindigkeiten Reibungseffekte und Turbulenzen berücksichtigt werden.
Viskosität (innere Reibung)¶
Ist die Reibung innerhalb einer Flüssigkeit nicht vernachlässigbar, so ist eine Kraft beziehungsweise ein Druck nötig, um eine Flüssigkeit gegenüber einem Rohrsystem gleichmäßig zu bewegen. Wie groß die nötige Schubkraft ist, hängt von der Viskosität („Zähigkeit“) der Flüssigkeit ab.
Legt man beispielsweise ein Deckglas auf einen Flüssigkeitstropfen und verschiebt es auf der dünnen Flüssigkeitsschicht langsam und gleichmäßig entlang der Grundfläche, so ist zum Aufrechthalten der Bewegung eine Kraft erforderlich. Diese Kraft ist proportional zur Fläche des Glases, zur Geschwindigkeit der Bewegung und zur Viskosität der Flüssigkeit; zudem ist die Kraft umgekehrt proportional zur Dicke der Flüssigkeitsschicht. Insgesamt gilt also für diese zur Überwindung der Reibung nötige Kraft
Die obige Gleichung kann auch umgeformt werden, um ein Maß für die Viskosität einer Flüssigkeit zu erhalten:
(10)¶
Die Einheit der Viskosität kann nach der obigen Formel als „Pascalsekunde“ ausgedrückt werden:
Viskositäten von Flüssigkeiten werden üblicherweise bei einer Temperatur von angegeben, da sie stark temperaturabhängig sind. Bei den meisten Flüssigkeiten nimmt die Viskosität mit zunehmender Temperatur stark ab, bei Gasen ist es umgekehrt.[5]
Wasser hat bei eine Viskosität von nahezu exakt . Da viele weitere Flüssigkeiten ähnliche Viskositätswerte aufweisen, wird die Viskosität in Tabellen allgemein oft in Millipaskalsekunden angeben.[6]
Substanz | Viskosität in |
Aceton | |
Benzol | |
Blut | |
Ethanol | |
Glycerin | |
Olivenöl | |
Sirup | |
Wasser () | |
Wasser () | |
Wasser () |
Messung der Viskosität einer Flüssigkeit
Experimentell kann die Viskosität einer Flüssigkeit mit folgenden Methoden bestimmt werden:
Bei Kugelfall-Viskosimetern lässt man eine Kugel mit einem Radius und einer Dichte in einem Behälter absinken, der mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllt ist.
Die Kugel erfährt in diesem Fall eine von ihrer Geschwindigkeit abhängige Reibungskraft, für die George Stokes folgende Formel fand:
Mit einer zunehmenden Sink-Geschwindigkeit der Kugel wird auch die wirkende Reibungskraft größer, bis sich ein Kräfte-Gleichgewicht zwischen der Stokeschen Reibungskraft, der Gewichtskraft der Kugel und der Auftriebskraft einstellt:
Die Viskosität der Flüssigkeit kann also unmittelbar berechnet werden, wenn die Dichten der Flüssigkeit und der Kugel sowie der Kugelradius bekannt sind und die Geschwindigkeit der konstant sinkenden Kugel gemessen wird.
Bei Rotationsviskosimetern wird ein Zylinder in ein ebenfalls zylindrisches Messgefäß mit einem etwas größeren Durchmesser getaucht. Zwischen beide Zylinderoberflächen wird die zu prüfende Flüssigkeit gefüllt; dann wird mit einem Motor üblicherweise der innere Zylinder gleichmäßig gegen den äußeren gedreht und das dafür nötige Drehmoment als Maß für die wirkende Reibungskraft und somit – da die Zylindermasse bekannt sind – für die Viskosität gemessen. Bei professionellen Laborgeräten erfolgt die Auswertung automatisch über einen Mikroprozessor, der den berechneten Viskositätswert zugleich über ein Display ausgibt.
Bei Kapillarviskosimetern lässt man ein bestimmtes Volumen der zu prüfenden Flüssigkeit durch ein dünnes, senkrecht aufgehängtes Glasrohr fließen. Die Viskosität der Flüssigkeit kann durch Messung der Durchlaufzeit berechnet werden, indem man diese mit der Dichte der Flüssigkeit und einer für den Apparat angegebenen Konstanten multipliziert.
Laminare und turbulente Strömungen¶
Bei geringen Geschwindigkeiten treten häufig so genannte laminare Strömungen auf. Dabei bewegen sich die Flüssigkeitsteilchen, als würden sie sich in übereinander geschichteten Lamellen befinden. Das Geschwindigkeitsprofil in einem zylindrischen Rohr ist dabei parabelförmig und nimmt zur Mitte des Rohres hin zu.
Das Hagen-Poiseuillesche Gesetz
Für laminare Strömungen eines Fluids durch ein Rohr mit einem Radius und einer Länge haben Gotthilf Hagen und Jean Poiseuille folgende Formel entdeckt, die auch die Viskosität der Flüssigkeit berücksichtigt:
(11)¶
Berücksichtigt man die Viskosität und somit Reibungseffekte zwischen der Flüssigkeit und den Gefäßwänden, so bleibt der Gesamtdruck in einem geschlossenen Rohrsystem nicht konstant, sondern sinkt mit zunehmender zur Länge des Rohrsystems ab. Die obige Formel beschreibt den zusätzlichen Druck zwischen dem Anfang und dem Ende des Rohrsystems, der zum Aufrechterhalten des Volumenstroms notwendig ist.
Das Hagen-Poiseuillesche Gesetz wurde unter Annahme der folgenden Bedingungen formuliert:
- Der Rohrdurchmesser ist konstant.
- Es wirken keine äußeren Kräfte durch die Rohrwand hindurch.
- Es treten ausschließlich Reibungskräfte, jedoch keine Trägheitskräfte auf. Dies ist der Fall, wenn die Flüssigkeit während der Bewegung im Rohr nicht beschleunigt wird. Man spricht in diesem Fall von einer „stationären“, also einer sich zeitlich nicht ändernden, Strömung.
- Die Flüssigkeitsteilchen an der Rohrwand sind in Ruhe, für sie gilt also . Haftet die Flüssigkeit nicht an der Rohrwand, so wird dies vom Hagen-Poiseuilleschen Gesetz nicht berücksichtigt.
- Die Dichte der Flüssigkeit ist konstant, sie ändert sich also mit zunehmendem Druck nicht. Eine solche Inkompressibilität gilt in sehr guter Näherung für Flüssigkeiten, bei Gasen nur bei nicht zu hohen Strömungsgeschwindigkeiten.
In der Praxis wird das Hagen-Poiseuillesche üblicherweise für die Beschreibung von zähflüssigen Fluiden in engen Rohrsystemen genutzt, in denen die obigen Bedingungen zumindest näherungsweise erfüllt sind. Von besonderer Bedeutung ist, dass der zum Aufrechterhalten des Volumenstroms benötigte Druck mit indirekt proportional zur vierten Potenz des Gefäß-Radius zunimmt; dies bedeutet beispielsweise für den menschlichen Körper, dass eine zunehmende Verengung der Blutgefäße – insbesondere durch zu viel Cholesterin bei der Nahrungsaufnahme – mit Bluthochdruck und der Gefahr von Herzkrankheiten einher geht.
Newtonsche Flüssigkeiten
Sind die Bedingungen für das Hagen-Poiseuillesche Gesetz erfüllt, so ist für eine Vergrößerung des Volumenstroms eine proportional größere Druckdifferenz nötig. Trägt man die Volumenstromstärke als Funktion der Druckdifferenz aus, so ergibt sich eine Gerade. Fluide, auf die dieses Verhalten zutrifft, bezeichnet man als „Newtonsche Flüssigkeiten“.
Da im Hagen-Poiseuillen Gesetz alle Größen bis auf direkt messbar sind, kann es auch zur experimentellen Bestimmung der Zähigkeit eines Fluids genutzt werden.
Strömungswiderstand
Setzt man die Druckdifferenz zwischen Anfang und Ende einer Rohrleitung in Relation zum Volumenstrom , so erhält man den so genannten Strömungswiderstand . Es gilt also:
(12)¶
Der Strömungswiderstand ist nicht nur abhängig von der Geometrie des Rohres, sondern auch noch von der Zähigkeit der durchströmenden Flüssigkeit; er wird in der Einheit angegeben. Der Kehrwert des Strömungswiderstands wird „Leitwert“ einer Kapillare genannt:
(13)¶
Setzt man das Hagen-Poiseuillesche Gesetz (11) in die Definition des Strömungswiderstand ein, so ergibt sich mit beziehungsweise folgende Formel für den Strömungswiderstand in einem Rohr mit runder Querschnittsfläche:
Je geringer der Strömungswiderstand einer Newtonschen Flüssigkeit in einem Gefäß ist, desto steiler verläuft die Gerade im obigen Volumenstromstärke-Druckdifferenz-Diagramm. Da der Strömungswiderstand sowohl proportional zur Druckdifferenz als auch proportional zur Länge des Rohres ist, ergibt sich auch ein direkt proportionaler Zusammenhang zwischen und : Bei konstantem Durchmesser nimmt der Druck linear mit der Länge des Rohres ab.
Muss eine Flüssigkeit mehrere Gefäße mit den Strömungswiderständen nacheinander durchlaufen, so ist der insgesamt auftretende Strömungswiderstand gleich der Summe aller Teilwiderstände.
Für eine „Reihenschaltung“ mehrerer Strömungswiderstände gilt also:
Können im umgekehrten Fall mehrere Kapillaren parallel durchlaufen werden, so addieren sich die Kehrwerte der Strömungswiderstände zum Kehrwert des Gesamtwiderstands. Da der Kehrwert des eines Strömungswiderstands mit dem Leitwert identisch ist, können in diesem Fall also auch die Leitwerte addiert werden.
Für eine „Parallelschaltung“ mehrerer Strömungswiderstände gilt somit:
Bei einer Reihenschaltung ist der Gesamt-Strömungswiderstand somit größer als der größte Teilwiderstand, bei einer Parallelschaltung geringer als der kleinste Teilwiderstand.
Die Reynolds-Zahl
Bei höheren Geschwindigkeiten und ungleichen Wandformen (z.B. Ecken, vorstehende Teile) können Wirbel entstehen, die von der Strömung mit transportiert werden; der Strömungswiderstand steigt dabei erheblich an. Eine mathematische Berechnung von derartigen „turbulenten“ Strömungen ist sehr aufwendig; mit Hilfe der von Osborne Reynolds beschriebenen und nach ihm benannten „Reynolds-Zahl“ kann jedoch grob abgeschätzt werden, ob bei einer Strömung laminares oder turbulentes Verhalten zu erwarten ist. Die Reynolds-Zahl berechnet sich wie folgt:
(14)¶
Dabei bezeichnet die Dichte des Fluids, seine Strömungsgeschwindigkeit, seine Viskosität und den Radius des Rohres, durch den das Fluid strömt. Die Reynolds-Zahl selbst ist ein reiner Zahlenwert ohne Einheit. Ist ihr Wert für eine Strömung kleiner als , so kann von einer laminaren Strömung ausgegangen werden, bei größeren Werten ist mit Wirbelbildungen zu rechnen.
Im menschlichen Blutkreislauf tritt turbulente Strömung normalerweise nur in der herznahen Aorta bei einer Strömungsgeschwindigkeit von auf. Rauhe Stellen, beispielsweise bei Venenentzündungen, können allerdings ebenfalls Wirbelbildungen begünstigen und zur Entstehung von Thrombosen führen.
Oberflächenspannung und Kapillarität¶
Kräfte, die zwischen den Molekülen einer einzelnen Substanz wirken, bezeichnet man als Kohäsionskräfte.[7] Im Inneren einer Flüssigkeit heben sich durch das Zusammenwirken mehrerer Kräfte die einzelnen auf jedes Molekül wirkenden Kohäsionskräfte gegenseitig (weitgehend) auf. An der Oberfläche jedoch erfahren die Moleküle eine nach innen gerichtete resultierende Kraft, welche beispielsweise die Moleküle einer Flüssigkeit in einem Tropfen zusammenhält.
Durch die an der Oberfläche nach innen gerichteten Kohäsionskräfte ist die Oberfläche einer freien Flüssigkeit stets minimal. Einzelne Flüssigkeitstropfen besitzen eine Kugelform, da bei einem bestimmten Volumen die Kugel derjenige geometrische Körper mit der geringsten Oberfläche ist.
Möchte man ein Molekül von der Oberfläche einer Flüssigkeit „anheben“ oder herauslösen, so muss Arbeit gegen die Kohäsionskräfte verrichtet werden. Das Verhältnis aus der nötigen Arbeit und der dadurch resultierenden Vergrößerung der Oberfläche wird spezifische Oberflächenenergie oder kurz Oberflächenspannung genannt:
(15)¶
Die Einheit der Oberflächenspannung ist ; die Oberflächenspannung ist also eigentlich eine Energiemenge je Fläche.
Substanz | Oberflächenspannung |
Aceton | |
Ethanol | |
Glycerin | |
Quecksilber | |
Seifenlösung | |
Wasser |
Die Oberflächenspannung eines Materials ist allgemein temperaturabhängig; am Gefrierpunkt ist sie am größten, mit zunehmender (absoluter) Temperatur wird sie geringer. Gelöste Stoffe oder Verunreinigungen können ebenfalls eine starke Verringerung der Oberflächenspannung bewirken, beispielsweise hat eine Seifenlösung eine deutlich geringere Oberflächenspannung als reines Wasser.
Um die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit experimentell zu bestimmen, kann man beispielsweise – ähnlich wie beim Seifenblasen-Machen – mittels eines Drahtbügels eine dünne Schicht aus der Flüssigkeitsoberfläche „herausziehen“. Hat der Drahtbügel die Breite und wird dieser um eine Höhe angehoben, so gilt für die verrichtete mechanische Arbeit:
Mit wird dabei die zum Herausziehen des Drahtes notwendige Kraft bezeichnet. Für die Vergrößerung der Flüssigkeits-Oberfläche gilt:
Der Faktor ergibt sich daraus, dass sowohl auf der Vorder- wie auch auf der Hinterseite des Bügels eine zusätzliche Oberfläche mit einer Größe von hinzukommt. Für die Oberflächenspannung ergibt sich damit:
Anders als bei einer Schraubenfeder ist die zum Herausziehen des Drahtes benötigte Zugkraft , wie man an der oberen Formel erkennen kann, unabhängig von dem Betrag der „Dehnung“ :
Ein wichtiger Sonderfall dieser Gleichung ergibt sich, wenn der Draht zu einem Ring gebogen wird. Die Bogenlänge entspricht dann einem ganzen Kreisumfang, also . Damit ergibt sich in diesem Fall:
(16)¶
Anhand dieser Formel kann einerseits der „Binnendruck“ in Seifenblasen oder Flüssigkeitstropfen erklärt werden, andererseits lässt sich daraus ebenso eine Formel zur Bestimmung von Tropfengrößen herleiten.
Binnendruck
Betrachtet man eine Seifenblase im Querschnitt, so erkennt man, dass diese aus aus einer kreisförmigen und sehr dünnen Flüssigkeitsschicht besteht. Sowohl nach außen wie auch nach innen hin wird die Flüssigkeit durch eine Oberfläche begrenzt. Im Querschnitt kann der Umfang dieser beiden kreisförmigen Oberflächen jeweils mit angegeben werden, da die Dicke der Seifenblasen-Haut gegenüber dem Radius der Seifenblase selbst vernachlässigbar gering ist.
Die Oberflächenspannung wirkt kontraktiv, sie versucht also die Größe der Oberfläche zu minimieren; ohne eine weitere Kraft würde die Seifenblase kollabieren. Tatsächlich ist allerdings Luft in der Seifenblase enthalten, deren Druck sich bei einer Kompression erhöht. Da dieser Druck nach außen hin auf die Oberfläche der Seifenblase einwirkt, stellt sich ein Gleichgewicht zwischen der durch den Druck auf die Oberfläche ausgeübten Kraft und der durch die Oberflächenspannung hervorgerufenen kontraktiven Kraft ein:
Der Druck wird als „Binnendruck“ der Seifenblase bezeichnet; er gibt an, um wie viel größer der Druck der eingeschlossenen Luft gegenüber der Umgebungsluft ist. Der Binnendruck nimmt, wie sich aus der obigen Formel erkennen lässt, mit zunehmendem Radius ab. In großen Seifenblasen herrscht folglich ein kleinerer Binnendruck als in kleinen; treffen zwei Seifenblasen so aufeinander, dass ein Druckausgleich zwischen den eingeschlossenen Gasen möglich ist, so strömt die eingeschlossene Luft von der kleineren zur größeren Blase.
Für Flüssigkeitstropfen oder Luftblasen in einer Flüssigkeit gilt das gleiche Prinzip; da diese jedoch nur eine Oberfläche haben, ist der Binnendruck eines Tropfens nur halb so groß.
Beispiel:
Wie groß ist der Binnendruck in einem Wassertropfen mit einem Radius von ?
Für den Binnendruck im Wassertropfen gilt mit :
Der Binnenendruck im Tropfen beträgt somit etwa .
Arzneitropfen-Formel
Bei Tropf-Pipetten wird ebenfalls die durch die Oberflächenspannung bedingte Haltekraft ausgenutzt. Der untere, runde Glasrand der Pipette übernimmt dabei die Rolle des runden „Bügels“, mit dessen Hilfe die Oberfläche eines runden Tropfens vergrößert werden soll – allerdings wird hierbei nicht der Bügel gegen den Tropfen bewegt, sondern der am Pipettenrand hängende Tropfen bewegt sich aufgrund seiner während des Ausfließ-Vorgangs zunehmenden Gewichtskraft nach unten.
Im Grenzfall ist die durch die Oberflächenspannung bedingte Haltekraft exakt gleich groß wie die Gewichtskraft des Tropfens. Als Formel für die Haltekraft kann auf Gleichung (16) zurückgegriffen werden; da der Tropfen allerdings nur eine Oberfläche hat, entfällt der Faktor . Es ergibt sich somit:
Die Tropfenmasse ist somit nur durch die Oberflächenspannung sowie den Radius der Tropf-Pipette festgelegt. Da die Oberflächenspannung temperaturabhängig ist, muss allerdings mit geringfügigen Abweichungen vom Sollwert gerechnet werden.
Adhäsionskräfte und Benetzbarkeit
Kräfte, die zwischen den Molekülen einer flüssigen und einer festen oder zweier flüssiger beziehungsweise fester Substanzen wirken, bezeichnet man als Adhäsionskräfte. In Flüssigkeiten sind Adhäsionskräfte insbesondere an den Rändern des jeweiligen Gefäßes wirksam.
Je nachdem, ob die Kohäsions- oder die Adhäsionskräfte überwiegen, stellt sich zwischen der Gefäßwand und der Oberfläche der Flüssigkeit ein so genannter „Randwinkel“ ein:
- Ist der Randwinkel größer als , so überwiegen die Kohäsionskräfte; die Flüssigkeit ist schlecht benetzend.
- Ist der Randwinkel kleiner als , so überwiegen die Adhäsionskräfte, und man bezeichnet die Flüssigkeit als benetzend.
- Bei einer ideal benetzenden Flüssigkeit ist .
Kapillarität
Je enger ein Gefäß ist, desto deutlicher lassen sich Adhäsionskräfte beobachten. In sehr engen Röhren („Kapillaren“) kann der Effekt so stark sein, dass das Flüssigkeitsniveau je nach Benetzbarkeit höher oder niedriger sein kann als es bei miteinander verbundenen Gefäßen normalerweise der Fall wäre. Beispielsweise kann Wasser in einer Glasröhre mit einem Radius von bis zu nach oben gezogen werden, bei einem Radius von nur sind sogar Steighöhen von bis zu möglich.
Bei dieser so genannten „Kapillarität“ herrscht nach der Benetzung der Randfläche durch die aufsteigende Flüssigkeit – ähnlich wie bei der Arzneitropfen-Formel – ein Gleichgewicht zwischen der Haltekraft durch die Oberflächenspannung und der Gewichtskraft der zusätzlichen, zylinderförmigen Flüssigkeitssäule:
Setzt man die Terme für diese beiden Kräfte gleich, so erhält man für die kapillare Steighöhe :
Bei dieser Herleitung wurde eine ideale Benetzung der Kapillarwand vorausgesetzt. Eine realistischere Formel für die kapillare Steighöhe erhält man, wenn man im Zähler des Bruchs durch einen zusätzlichen Faktor eine gegebenenfalls nicht ideale Benetzbarkeit berücksichtigt:
(17)¶
Die maximale Steighöhe ergibt sich genau dann, wenn beziehungsweise ist. Die Flüssigkeit ist in diesem Grenzfall ideal benetzend und wird somit quasi senkrecht an der Gefäßwand empor gezogen. Ist bei einer schlechten Benetzung der Randwinkel hingegen größer als , so ist ; man erhält in diesem Fall folglich keine Kapillaraszension, sondern eine Kapillardepression.
Die kapillare Steighöhe ist neben der Oberflächenspannung und der Dichte als Materialkonstanten nur vom Radius der Gefäßröhre abhängig. Die obige Formel kann auch genutzt werden, um aus einer Messung der Steighöhe, des Röhrenradius und des Randwinkels die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit zu bestimmen.
Anmerkungen:
[1] | Das Wasser kann gegebenenfalls sogar „nach hinten losgehen“. Eine derartige Erfahrung hat vermutlich jedes Kind schon einmal gemacht, wenn es versucht hat, mit einem Finger die Öffnung eines Gartenschlauchs abzudichten… ;-) |
[2] | Da der (Kolben-)Druck in einer ruhenden Flüssigkeit in alle Richtungen gleich groß ist, wird er durch eine skalare Größe angegeben. In Festkörpern wird ein mechanischer Druck stets senkrecht zu einer der Oberflächen angegeben. Die mechanischen Spannungen im Inneren des Festkörpers können in unterschiedlichen Richtungen verschieden groß sein. |
[3] | Beispielsweise taucht Eis, das eine Dichte von hat, zu in Wasser (Dichte ) ein, nur die „Spitze des Eisbergs“ () bleibt über Wasser sichtbar. Styropor hingegen hat eine Dichte von etwa ; es taucht somit nur zu in Wasser ein; des Styropors schwimmen oberhalb der Wasseroberfläche. Wird die Dichte in angegeben, so hat Wasser eine Dichte von . In diesem Fall kann man bei Materialien mit unmittelbar am Dichtewert den Prozentsatz ablesen, der sich beim Schwimmen unterhalb der Wasseroberfläche befindet. |
[4] | Der umgangsprachliche Begriff „Staudruck“ sollte nicht verwendet werden, da er irreführend ist. Beispielsweise müssen die Mauern von Staudämmen aufgrund des (in alle Richtungen wirkenden) Schweredrucks unten dicker sein als oben. Dies gilt auch, wenn sich das gestaute Wasser nicht bewegt, also kein dynamischer Druck vorliegt. |
[5] | Beispielsweise beträgt die Viskosität von Glycerin bei einer Temperatur von . Bei beträgt die Viskosität nur noch , und bei nur noch . Ein mathematisches Modell für die Beschreibung der Temperaturabhängigkeit der Viskosität ist folgendes: Hierbei sind und experimentell zu bestimmende Konstanten. Die Gleichung kann dann genutzt werden, um Viskositätswerte bei anderen Temperaturen zu interpolieren. |
[6] | Manchmal wird in Formelsammlungen und Tabellenwerken auch die so genannte Fluidität einer Flüssigkeit oder eines Gases angegeben. Diese ist gleich dem Kehrwert der Fluidität, es gilt also . Bisweilen wird auch zwischen der obigen „dynamischen“ Viskosität und der so genannten „kinematischen“ Viskosität unterschieden. Letztere erhält man, indem man die dynamische Viskosität durch die Dichte der Substanz teilt. |
[7] | Kohäsionskräfte sind im Wesentlichen in Festkörpern und Flüssigkeiten von Bedeutung. In Gasen lassen sich Kohäsionskräfte nur bei sehr hohem Druck oder sehr tiefen Temperaturen beobachten, da die Abstände der Moleküle ansonsten zu groß und ihre Geschwindigkeiten zu hoch sind. |
Hinweis
Zu diesem Abschnitt gibt es Experimente und Übungsaufgaben.