Drehmoment und Gleichgewicht

Drehmoment

Wirkt eine Kraft auf einen starren Körper, so kann sie sowohl eine Verschiebung (Translation ) als auch eine Drehung (Rotation) bewirken. Für die Drehbewegung des Körpers ist dabei nur derjenige Anteil der Kraft von Bedeutung, dessen Wirkungslinie senkrecht zur Linie zwischen Drehachse und Angriffspunkt der Kraft steht.

Definition:

Wirkt eine Kraft \vec{F} im senkrechten Abstand \vec{s} von einer festen Drehachse, so erzeugt sie ein Drehmoment \vec{M}, für das gilt:

\vec{M} &= \vec{s} \times \vec{F} \\
M &= s \cdot F \cdot \sin{\alpha }

Hierbei bezeichnet \alpha den Winkel zwischen der Kraftrichtung und der Verbindungslinie vom Drehzentrum zum Angriffspunkt der Kraft.

Das Drehmoment ist als Vektorprodukt seinem Betrag nach maximal, wenn die Kraft \vec{F} senkrecht zur Strecke \vec{s} zwischen Angriffspunkt und Drehachse auf den Körper einwirkt. Wirkt die Kraft entlang dieser Verbindungslinie, so ist der Betrag des Drehmoments gleich Null.

Einheit:

Die Einheit des Drehmoments ist – gemäß seiner Definition – das Newtonmeter (\unit{Nm}). Ein Newtonmeter entspricht demjenigen Drehmoment, das eine Kraft F = \unit[1]{N} im senkrechten Abstand s = \unit[1]{m} ihrer Wirkungslinie von der Drehachse erzeugt.

Das Kräftepaar

Ein Sonderfall eines Drehmoments tritt auf, wenn zwei gleich große, aber in entgegengesetzter Richtung wirkende Kräfte am gleichen Gegenstand angreifen. Bezeichnet man mit l den Abstand der zwei zueinander parallelen Wirkungslinien beider Kräfte F_1 und F_2, so gilt für die resultierenden Drehmomente M_1 und M_2:

M_1 &= \frac{1}{2} \cdot l \cdot F_1 \\
M_2 &= \frac{1}{2} \cdot l \cdot F_2 \\

Damit ergibt sich als Drehmoment insgesamt:

M = M_1 + M_2 = l \cdot F

Das Drehmoment derartiger Kräftepaare ist beispielsweise für Schrauben, Windeisen, Kreuzschlüssel usw. von Bedeutung.

Gleichgewicht

Ein um eine Achse drehbarer Körper ist im Gleichgewicht, wenn sich alle an ihm wirkenden Drehmomente gegenseitig ausgleichen.

Definition:

Der Schwerpunkt ist der Punkt eines starren Körpers, bei dem sich alle durch sein Gewicht wirkenden Drehmomente M_{\mathrm{i}} = s_{\mathrm{i}}
\times F_{\mathrm{i}} zu Null addieren:

\sum_{i=1}^{n}  \vec{s}_i  \times \vec{F}_i = 0

Die Kräfte F_i entsprechen dabei den Gewichtskräften der einzelnen fest miteinander verbundenen Massestücke („Massenpunkte“).[1] Die Strecken s_i den zugehörigen Abständen vom Schwerpunkt, sofern dieser als Koordinatenursprung angesehen wird.

Ist ein anderes Koordinatensystem vorgegeben, so gilt für den Schwerpunkt \vec{s} _{\mathrm{S}} eines Körpers:

\vec{s} _{\mathrm{S}} = \frac{\sum_{i}^{} m_i \cdot \vec{s}_i }{m
_{\mathrm{ges}}}

Hierbei werden mit m_{\mathrm{i}} die Massen der einzelnen Punktmassen und mit m_{\mathrm{ges}} die Gesamtmasse bezeichnet.

Ist die Summe aller wirkenden Drehmomente bezüglich einem bestimmten Punkt als feste Drehachse nicht gleich Null, so führt der Körper eine Rotation um diese Drehachse aus.

Stabiles, labiles und indifferentes Gleichgewicht

Allgemein kann zwischen drei unterschiedlichen Gleichgewichts-Arten unterschieden werden:

  • Ein Körper im stabilen Gleichgewicht kehrt bei einer kleinen Auslenkung von selbst wieder in seine ursprüngliche Lage zurückführt.
  • Ein Körper im labilen Gleichgewicht kippt bei einer minimalen Auslenkung um, entfernt sich also dauerhaft von der Ausgangslage.
  • Ein Körper in indifferentem Gleichgewicht ist in keiner Lage stabiler als in einer anderen. Dies gilt beispielsweise für Kugeln, Walzen oder Räder.
fig-hebelgleichgewicht-labil-stabil-indifferent

Stabiles, labiles und indifferentes Gleichgewicht bei einer aufgehängten Holzleiste.

Kann sich ein Körper frei um eine Drehachse beziehungsweise einen Aufhängepunkt drehen, so nimmt sein Schwerpunkt die tiefst mögliche Stelle ein. In dieser Lage befindet sich der Schwerpunkt stets senkrecht unterhalb der Achse beziehungsweise des Aufhängepunktes. Sind Schwerpunkt, Aufhänge- und Drehpunkt identisch, so befindet sich der Körper in jeder Lage im indifferenten Gleichgewicht.

Schwerpunkt und Auflagefläche

Ein frei stehender Körper, an dem keine äußeren Drehmomente wirken, kippt nicht um, solange sich sein Schwerpunkt oberhalb der Auflagefläche („Standfläche“) befindet. Der Grund dafür ist, dass bei einer kleinen Auslenkung der Schwerpunkt des Körpers zunächst angehoben wird.

Bei einer weiteren Auslenkung überschreitet die vom Schwerpunkt aus senkrecht nach unten gezeichnete Lot-Linie die Grenze der Auflagefläche. Sobald dies der Fall ist, kippt der Körper um und nimmt damit eine stabile Gleichgewichtslage mit tiefer liegendem Schwerpunkt ein.

fig-gleichgewicht-kippen-eines-körpers

Umkippen eines Körpers.

Hat ein Gegenstand oder Körper mehrere Auflagepunkte, so entspricht die Auflagefläche der Fläche zwischen den einzelnen Auflagepunkten. Beispielsweise entspricht die Auflagefläche eines Schemels mit drei Beinen der dreieckigen Fläche, die von den Beinen des Schemels begrenzt wird.

fig-standfestigkeit

Standfestigkeit eines Gegenstands.

Wirkt eine Kraft \vec{F} in einer Höhe h über der Standfläche waagrecht auf den Körper ein, so übt diese bezüglich der Kippkante ein so genanntes Kippmoment F \cdot h aus. Im entgegengesetzten Drehsinn bewirkt die im Schwerpunkt \mathrm{S} wirkende Gewichtskraft des Gegenstands ein „Standmoment“ F \cdot l, wobei l den Abstand der Kippkante von der Wirkungslinie der Gewichtskraft angibt. Im Gleichgewichtsfall gilt:

F \cdot h = F_{\mathrm{G}} \cdot l

Die zum Kippen des Gegenstands nötige Kraft beträgt also mindestens:

F = \frac{F_{\mathrm{G}} \cdot l}{h}

Die Standfestigkeit eines Gegenstands ist umso größer, je geringer seine Höhe h ist, je größer seine Gewichtskraft F_{\mathrm{G}} ist und je größer der senkrechte Abstand l des Schwerpunkts zur Kippkante ist.[2]

Das Trägheitsmoment

Wird ein Gegenstand durch ein äußeres Drehmoment so weit gekippt, dass sein Gleichgewicht einen instabilen Zustand annimmt, so beginnt dieser eine Rotationsbewegung auszuführen.

Bei Translationsbewegungen ist die Beschleunigung \vec{a}, die ein Körper durch eine äußere Kraft \vec{F} erfährt, umgekehrt proportional zur Masse m des Körpers („Kraftgesetz“). Entsprechend ist bei Rotationsbewegungen die Winkelbeschleunigung \vec{\alpha}, die ein Körper durch ein äußeres Drehmoment \vec{M} erfährt, umgekehrt proportional zum sogenannten Trägheitsmoment J des Körpers.

Es gilt also:

  • Für Translationsbewegungen:

    \vec{F} = m \cdot \vec{a}

  • Für Rotationsbewegungen:

    (1)\vec{M} = J \cdot \vec{\alpha}

Das Drehmoment zeigt in die gleiche Richtung wie die Winkelbeschleunigung, zeigt also in Richtung der Drehachse; der Betrag des Drehmomentvektors ist um den Faktor J vom Betrag der Winkelbeschleunigung \alpha verschieden.

Der Wert des Trägheitsmoment J eines Körpers hängt einerseits von der Lage der Drehachse, andererseits von der räumlicher Verteilung der rotierenden Masse ab. Massestücke, die weit von der Drehachse entfernt liegen, tragen stärker zum Trägheitsmoment bei als Massestücke, die sich in der Nähe der Drehachse befinden. Beispielsweise hat ein kleines Teilchen der Masse m, das auf einer Kreisbahn mit Radius r rotiert, ein Trägheitsmoment von J =
m \cdot r^2.

fig-traegheitsmoment-punktmasse-kreisbahn

Trägheitsmoment einer Punktmasse auf einer Kreisbahn.

Das Trägheitsmoment eines beliebig geformten Körpers kann rechnerisch bestimmt werden, wenn man ihn aus einer Vielzahl von einzelnen kleinen Massestücken m_{\mathrm{i}} zusammengesetzt denkt, die jeweils im Abstand r_{\mathrm{i}} von der Drehachse entfernt liegen. Das Trägheitsmoment des Körpers ist dann gleich der Summe der Trägheitsmomente aller einzelnen Teilstücke:

J = \sum_{i=1}^{n} m_{\mathrm{i}} \cdot r_{\mathrm{i}}^2

Die Trägheitsmomente einiger regelmäßig geformter Körper, die in technischen Anwendungen häufig auftreten, sind in Formelsammlungen aufgelistet. Eine kleine Auswahl davon findet sich in Abbildung Trägheitsmomente. Dabei ist zu beachten, dass der gleiche Körper bezüglich unterschiedlichen Rotationsachsen verschiedene Trägheitsmomente besitzen kann.

fig-traegheitsmomente

Trägheitsmomente verschieden geformter Körper.

Der Satz von Steiner

Rotiert ein Körper mit einer Masse m um eine Achse, die im Abstand a parallel zum Schwerpunkt verläuft, so muss zum jeweiligen Wert J des Trägheitsmoments noch der Term m \cdot a^2 hinzu addiert werden. Das lässt sich dadurch erklären, dass in diesem Fall der Schwerpunkt des Körpers auf einer Kreisbahn um die neue Drehachse rotiert. Es gilt somit:

(2)J_{\mathrm{a}} = J + m \cdot a^2

Formal ist das neue Trägheitsmoment also gleich dem ursprünglichen Trägheitsmoment (bei Rotation um den Schwerpunkt) plus dem Trägheitsmoment des Schwerpunkts um die neue Rotationsachse. Somit lassen sich viele Rotationsvorgänge (insbesondere Rollbewegungen) in einfacher Weise auf Drehbewegungen um den Schwerpunkt zurückführen.

Experimentelle Bestimmung des Trägheitsmoments

Um das Trägheitsmoment eines beliebigen Objekts, beispielsweise einer rotierenden Scheibe oder eines Rades, experimentell zu bestimmen, kann man es beispielsweise mittels einer Halterung oberhalb seines Schwerpunkts frei drehbar aufhängen.

fig-traegheitsmoment-experimentelle-bestimmung

Aufbau zur experimentellen Bestimmung des Trägheitsmoment eines rotierenden Objekts.

Lenkt man diese Anordnung aus der Ruhelage aus, so beginnt es als physikalisches Pendel mit einer leicht messbaren Schwingungsdauer T um die Ruhelage zu schwingen. Für das Trägheitsmoment des Objekts um seinen Schwerpunkt gilt dann:

(3)J = m \cdot a \cdot \left( \frac{T^2 \cdot g}{4 \cdot
\pi^2 \cdot a} - 1\right)

Hierbei bezeichnet g = \unit[9,81]{\frac{m}{s^2}} die Erdbeschleunigung, m die Masse des schwingenden Gegenstands, und a den Abstand zwischen seinem Schwerpunkt S und dem Aufhängepunkt. Da alle anderen Größen in der obigen Formel entweder konstant oder ebenfalls leicht messbar sind, kann das Trägheitsmoment unmittelbar bestimmt werden.


Anmerkungen:

[1]

Der Begriff „Massenpunkt“ bezieht sich auf einen physikalischen Körper, dessen Verhalten hinreichend beschrieben werden kann, wenn man sich dessen gesamte Masse in seinem Schwerpunkt vereinigt denkt.

Beispielsweise kann eine Hantelstange mit zwei außen angebrachten Gewichten gleicher Masse und Form in guter Näherung als ein starrer Körper aufgefasst werden, der aus zwei fest miteinander verbundenen Punktmassen besteht. Der Schwerpunkt liegt in diesem Fall mittig in der Hantelstange.

[2]Liegt der Schwerpunkt durch eine unterschiedliche Massenverteilung nicht in der Mitte, sondern im unteren Teil des Gegenstands, so muss zudem eine größere Hubarbeit geleistet werden, um den Schwerpunkt über die Kippkante zu heben – zum Kippen ist in diesem Fall also mehr Arbeit nötig.

Hinweis

Zu diesem Abschnitt gibt es Experimente und Übungsaufgaben.