Zinsrechnung¶
Ein Anwendungsbeispiel für geometrische Reihen ist die Zinsrechnung. Unter Zinsen versteht man allgemein einen Betrag, der für das Überlassen einer Geldmenge („Kapital“) innerhalb einer bestimmten Zeit („Zinsperiode“, üblicherweise ein Kalenderjahr) zu bezahlen ist.
Die Höhe der Zinsen ist von drei Größen abhängig: Der überlassenen Geldmenge , der Dauer der Überlassung („Laufzeit“), und dem so genannten Zinssatz . Der Zinssatz gibt prozentual den Anteil an Geld an, der am Ende einer Zinsperiode bezahlt werden muss.
In der Bankenpraxis entspricht ein Jahr 360 Tagen beziehungsweise jeder Monat 30 Tagen. Bezeichnet man man bei kürzeren Zeiträumen als einem Jahr die Zahl der Zinstage mit , so gilt .
Einfache Verzinsung¶
Bei einer einfachen Verzinsung werden die Zinsen am Ende einer Zinsperiode ausgezahlt; sie werden in den folgenden Perioden somit nicht weiter mit verzinst. Das Kapital wächst in diesem Fall linear mit der Zeit an.
Mit einer einfachen Verzinsung wird in der Praxis vor allem dann gerechnet, wenn der Zeitraum zwischen den Zinszahlungen kürzer als eine Zinsperiode ist.
Die nach der Zeit anfallenden Zinsen werden folgendermaßen berechnet:
(1)¶
Die Zeit wird dabei als Bruchteil oder Vielfaches der Zinsperiode angegeben. Die Zinsen werden am Ende einer Zinsperiode dem Kapital aufaddiert:
(2)¶
Beispiele:
Eine Kapital wird am 1. März eines Jahres zu einem jährlichen Zinssatz von auf eine Bank eingezahlt und am 1. September wieder abgehoben. Auf welchen Betrag hat das Kapital in diesem Fall zugenommen?
Das Kapital wird für sechs Monate, also beziehungsweise verzinst. Für den Betrag der Zinsen gilt mit und :
Das Kapital beträgt am Ende somit .
Eine Geldmenge von wird für zu einem jährlichen Zinssatz von von einer Bank geliehen. Wie viel Geld muss am Ende des Jahres zurück gezahlt werden?
Für den Betrag an Zinsen gilt mit , und :
Am Endes des Jahres müssen somit gezahlt werden.
Barwertvergleich
Das Endkapital nach der Zeit wird auch als Zeitwert bezeichnet; entsprechend wird der Kapitalwert zum Zeitpunkt auch Barwert genannt. Kennt man das Endkapital zu einem Zeitpunkt , so kann nach Umstellung der obigen Formel auch der zugrunde liegende Barwert berechnet werden:
(3)¶
Ein so genannter Barwertvergleich kann insbesondere genutzt werden, wenn Zahlungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten miteinander verglichen werden sollen. In diesem Fall bezieht man üblicherweise alle Zahlungen auf den Zeitpunkt .
Beispiel:
Eine Rechnung kann entweder innerhalb von mit Preisnachlass („Skonto“) oder innerhalb von ohne Preisnachlass gezahlt werden. Welchem Zinssatz entspräche hierbei eine Zahlung nach ?
Bei einer sofortigen Zahlung muss bei Skonto ein Kapital von aufgebracht werden; die Zeitdifferenz zwischen einer Zahlung nach und nach Tagen beträgt , also ist . Somit gilt:
Multipliziert man diese Gleichung mit dem Nenner der rechten Seite und dividiert durch , so ergibt sich folgende Gleichung:
Der Preisnachlass entspricht, bezogen auf den angegebenen Zeitraum, somit einem Zinssatz von etwa .
Zinseszinsrechnung¶
Werden die Zinsen nach einer Zinsperiode weiter verzinst, so entstehen so genannte Zinseszinsen.
Nach einer Zinsperiode ist das ursprüngliche Kapital entsprechend der einfachen Verzinsung um die Zinsmenge auf den Betrag angewachsen. Es gilt also:
Im zweiten Jahr wird das Kapital verzinst. Für die sich ergebenden Zinsen beziehungsweise das Kapital nach zwei Jahren gilt:
Der Faktor wird Aufzinsungsfaktor oder kurz Zinsfaktor genannt und häufig auch mit bezeichnet. Nach Jahren Laufzeit ergibt sich damit eine Zins- beziehungsweise Kapitalmenge:
(4)¶
Diese nach dem Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz benannte Zinseszinsformel entspricht formal einer geometrischen Reihe.
Ebenso wie bei der einfachen Verzinsung kann bei einem bekannten Zinssatz und einer gegebenen Laufzeit auf das Anfangskapital geschlossen werden, wenn das Endkapital bekannt ist. Als Barwert-Formel der Zinseszinsrechung ergibt sich:
(5)¶
Die Größe wird auch Abzinsungsfaktor genannt, die Berechnung des Barwerts als Diskontieren bezeichnet. Diese Methode kann beispielsweise verwendet werden, um monatliche Ratenzahlungen mit einer einmaligen Zahlung zu vergleichen.
Ist in der obigen Gleichung der Zinssatz oder die Laufzeit gesucht, während alle anderen Größen gegeben sind, so kann die Gleichung entsprechend aufgelöst werden:
Kennt man das Anfangskapital , das Endkapital sowie Anzahl an Zinsperioden, so gilt für den zugehörigen Zinssatz :
Kennt man das Anfangskapital , das Endkapital sowie den Zinssatz , so gilt mit den Rechenregeln für Logarithmen für die zugehörige Anzahl an Zinsperioden:
So kann beispielsweise mittels der letzten Formel berechnet werden, dass sich ein Kapital mit einem beliebigen Anfangswert bei einem Zinssatz von innerhalb von rund verdoppelt. Bei einem Zinssatz von verdoppelt sich das Kapital in rund , bei einem Zinssatz von in nur rund . Dies gilt gleichermaßen für Vermögen wie für Schulden: Zinseszinsen wachsen exponentiell!