Impuls und Drehimpuls¶
Neben der Energie gibt es zwei weitere Größen, die innerhalb eines abgeschlossenen Systems stets konstant bleiben; sie werden als Impuls und Drehimpuls bezeichnet. Die Impulsgesetze werden insbesondere bei mathematischen Beschreibung von Stoßprozessen genutzt, Drehimpulse sind bei Kreisbewegungen und Rotationen von Bedeutung.
Der Impuls¶
Der Bewegungszustand eines Körpers ist neben seiner Geschwindigkeit auch durch seine Masse gekennzeichnet. Der Impuls eines Körpers kennzeichnet die Wucht, die dieser Körper bei einer Translationsbewegung hat.
Definition:
Der Impuls
eines Körpers ist gleich dem Produkt aus seiner Masse
und seiner Geschwindigkeit
:
(1)¶
Einheit:
Die Einheit des Impulses ist gemäß der Definition.
Der Impuls ist eine vektorielle Größe und zeigt in die gleiche
Richtung wie die Geschwindigkeit
. Der Impuls eines Körpers
ändert sich, wenn sich entweder seine Geschwindigkeit ändert (in Betrag oder
Richtung), oder wenn sich – beispielsweise bei einem Raketenstart – seine
Masse ändert.
Mathematisch lässt sich die betragliche Änderung des Impulses somit folgendermaßen ausdrücken:
Diese Änderung des Impulses kann in Relation zur Zeit gesetzt
werden, in der die Änderung stattfindet. Damit folgt:
Der Term im ersten Teil dieser Summe
kann aufgrund des Zusammenhangs
auch als
geschrieben werden. Dieser Term entspricht der üblichen
Definition der Kraft
und ist mit der Änderung des
Impulses identisch, sofern die Änderung der Masse gleich Null ist. Andernfalls
muss das 2. Newtonsche Gesetz („Kraftgesetz“) allgemeiner
formuliert werden. Newton selbst hat es in folgender Form angegeben:
(2)¶
Eine Kraft kann somit als zeitliche Änderung des Impulses aufgefasst werden.
Umgekehrt kann man sich eine Impulsänderung als
„Kraftstoß“ vorstellen, der sich ergibt, wenn eine Kraft
über
einen Zeitraum
auf einen Körper einwirkt. Es gilt also:
Der Impulserhaltungssatz
Ein System aus mehreren miteinander wechselwirkenden Körpern hat einen Gesamtimpuls, der der Summe aller Einzelimpulse entspricht:
(3)¶
Wenn keine äußeren Kräfte auf das System wirken, dann ist der Gesamtimpuls konstant. Dieser empirisch gefundene Sachverhalt wird Impulserhaltung genannt und stellt neben der Erhaltung der Energie einen der wichtigsten Erhaltungssätze in der Physik dar.
Beispiel 1: Elastischer Stoß zweier Kugeln
Besteht ein System beispielsweise aus zwei Kugeln, die frontal und elastisch
zusammenstoßen, so ist sowohl die Summe der Impulse wie auch die Summe der
Bewegungsenergien vor und nach der Wechselwirkung gleich. Bezeichnet man mit
eine Geschwindigkeit vor und mit
eine Geschwindigkeit
nach dem Stoß, so ergibt sich nach dem Impuls- und Energieerhaltungssatz
folgendes Gleichungssystem:
Da in der zweiten Gleichung alle Terme den Faktor enthalten,
kann dieser ausgeklammert und gekürzt werden. Durch Umstellen der Terme können
beide Gleichungen auf folgende Form gebracht werden:
Da und
ungleich Null sind und – als Bedingung für einen
Stoß – zusätzlich
ist, kann zur Lösung des Gleichungssystems
die zweite Gleichung (nach Anwendung der binomischen Formel) durch die erste
geteilt werden.[1] Das Ergebnis lautet:
Diese Gleichung wurde durch Anwendung äquivalenter Umformungen aus der ursprünglichen Energieerhaltungs-Gleichung gebildet. Gemeinsam mit der ursprünglichen Impulserhaltungs-Gleichung stellt sie ein nun ein lineares Gleichungssystem dar:
Die beiden gesuchten Größen und
stehen dabei jeweils
auf der rechten Seite. Löst man die beispielsweise die zweite Gleichung nach
auf und setzt das Ergebnis
in die
erste Gleichung ein, so erhält man:
Dies ergibt, wenn man die rechte Seite ausmultipliziert und die Gleichung nach
auflöst:
(4)¶
Entsprechend ergibt sich für die Geschwindigkeit :
(5)¶
Diese beiden Ergebnisse gelten für beliebige Kugelmassen und Anfangsgeschwindigkeiten. Betrachtet man einige Sonderfälle, so erhält man folgende vereinfachte Ergebnisse:
Sind beide Kugeln gleich schwer (
) und ist die zweite anfangs in Ruhe
, so überträgt die erste Kugel beim Stoß ihren gesamten Impuls auf die zweite Kugel. Es gilt nämlich in diesem Fall:
Ist die erste Kugel sehr viel leichter als die zweite Kugel und ruht diese (
und
), so prallt die erste Kugel mit einer (nahezu) gleich großen, jedoch entgegengesetzt gerichteten Geschwindigkeit zurück. Es gilt in diesem Fall näherungsweise:
- Ist die erste Kugel sehr viel schwerer als die zweite Kugel und ruht diese
(
und
), so bewegt sich die erste Kugel mit nahezu gleicher Geschwindigkeit weiter; die zweite Kugel wird auf die doppelte Geschwindigkeit der ersten Kugel beschleunigt. Es gilt in diesem Fall näherungsweise:
Stoßen die Kugeln nicht frontal, sondern schräg aufeinander, so muss das obige Rechenschema komponentenweise für die drei Raumrichtungen komponentenweise angewendet werden.
Beispiel 2: Unelastischer Stoß zweier Kugeln
Stoßen zwei Kugeln unelastisch aufeinander, so bewegen sich beide nach dem Stoß
mit der gleichen Geschwindigkeit entlang einer gemeinsamen Richtung
hin fort. Die Richtung und der Betrag der Geschwindigkeit
kann anhand
des Impulserhaltungs-Gleichung direkt berechnet werden:
Der Energie-Erhaltungssatz gilt hingegen in diesem Fall nicht – durch die unelastische Verformung wird mechanische Energie in Wärme umgewandelt.[2]
Teilelastische Stoßprozesse
In vielen Fällen handelt es sich bei Stößen weder einem komplett elastischen noch um einen komplett unelastischen Vorgang, sondern vielmehr um einen teilelastischen Prozess: Es wird dabei nur ein Teil der Verformungsarbeit wieder zurück in kinetische Energie gewandelt. Die Geschwindigkeiten der beteiligten Gegenstände sind nach einem teilelastischen Stoß folglich kleiner als bei einem elastischen Stoß.
Für die Bewegungsenergien und
vor und
nach dem Stoß gilt:
Die Zahl wird hierbei als Stoßzahl bezeichnet; sie kann mittels
folgender Formel experimentell bestimmt werden:
Die Stoßzahl ist gleich Null für komplett unelastische Prozesse und
gleich Eins für komplett elastische Prozesse. Für teilelastische Prozesse
ergibt sich eine Zahl zwischen Null und Eins, die den Elastizitätsgrad des
Prozesses angibt.
Der Drehimpuls¶
In ähnlicher Weise, wie sich bei der Definition des Impulses der Beschreibung von Translationsbewegungen als hilfreich herausgestellt hat, so hat sich auch bei der Beschreibung von Rotationsbewegungen die Einführung eines so genannten Drehimpulses als nützlich erwiesen.
Der Drehimpuls eines Körpers ist von seinem Trägheitsmoment und von seiner Winkelgeschwindigkeit abhängig und kennzeichnet die Wucht, die dieser Körper bei einer Rotationsbewegung aufweist.
Definition:
Der Drehimpuls
eines Körpers ist gleich dem Produkt aus seinem Trägheitsmoment
und seiner Winkelgeschwindigkeit
:
(6)¶
Der Drehimpuls ist eine vektorielle Größe und zeigt in die gleiche Richtung wie die Winkelgeschwindigkeit, also senkrecht zur Drehebene. Der Betrag des Drehimpuls eines rotierenden Körpers ändert sich, wenn sich entweder der Betrag seiner Winkelgeschwindigkeit oder seine Massenverteilung und somit sein Trägheitsmoment ändert.
Mathematisch lässt sich die betragliche Änderung des Drehimpulses folgendermaßen ausdrücken:
Diese Änderung des Impulses kann in Relation zur Zeit gesetzt
werden, in der die Änderung stattfindet. Damit folgt:
Der Term im ersten Teil dieser
Summe lässt sich aufgrund des Zusammenhangs
auch als
schreiben. Dieser
Term kann als Drehmoment aufgefasst werden
und ist mit der Änderung des Drehimpulses identisch, sofern die
Änderung des Trägheitsmoments gleich Null ist. Andernfalls muss diese zusätzlich
berücksichtigt werden:[3]
(7)¶
Eine Drehmoment kann somit allgemein als zeitliche Änderung des Drehimpulses aufgefasst werden.
Der Drehimpulserhaltungssatz
Ein System aus mehreren miteinander wechselwirkenden Körpern hat einen Gesamt-Drehimpuls, welcher der Summe aller einzelnen Drehimpulse entspricht:
(8)¶
Wenn keine äußeren Drehmomente auf das System wirken, dann ist der Gesamt-Drehimpuls konstant. Dieser empirisch gefundene Sachverhalt wird Drehimpulserhaltung genannt und stellt gemeinsam mit der Impulserhaltung und der Erhaltung der Energie einen der wichtigsten Erhaltungssätze der Mechanik dar.
Anmerkungen:
[1] | Nach der binomischen Formel ist ![]() |
[2] | Wie groß der Verlust an mechanischer Energie ist, kann aus der Differenz der Bewegungsenergien beider Kugeln vor und nach dem Stoß berechnet werden: Experimentell lässt sich ein unelastischer Stoß beispielsweise dadurch erreichen, dass an dem Berührungspunkt der Kugeln ein kleines Stück Kaugummi aufgeklebt wird. |
[3] | Beispielsweise verringern Eiskunstläufer(innen) bei Pirouetten durch ein Einziehen der zunächst ausgestreckten Arme bewusst ihr Trägheitsmoment, um damit – ohne zusätzliche Energiezufuhr – eine deutlich höhere Winkelgeschwindigkeit zu erreichen. |
Hinweis
Zu diesem Abschnitt gibt es Experimente und Übungsaufgaben.