Magnetismus

Bereits seit der Antike kennen und nutzen die Menschen magnetische Erscheinungen. Insbesondere die Verwendung von dünnen, drehbar gelagerten Magnetscheiben in Kompassen war in vielerlei Hinsicht „richtungsweisend“ für die Entwicklung der Menschheit. Inzwischen sind insbesondere Elektromagnete, Elektromotoren, Generatoren und Transformatoren aus unserer modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken.

Permanentmagnete

Wohl am bekanntesten ist die anziehende Wirkung von Magneten auf Eisen. Stoffe, die ebenso wie Eisen von Magneten angezogen werden und dabei selbst magnetisiert werden, bezeichnet man nach dem lateinischen Namen von Eisen („ferrum“) als „ferromagnetisch“ oder umgangssprachlich kurz als „magnetisch“. Hierzu zählen Kobalt, Nickel, Neodym, und wenige Legierungen.

Auf nicht-ferromagnetische Stoffe zeigen Magnete (fast) keine Wirkung.

Das Modell der Elementarmagnete

Magnete besitzen stets zwei gegenüberliegende Bereiche, an denen ihre magnetische Wirkung besonders stark ist. Diese Bereiche werden als Magnetpole bezeichnet.

Zerbricht ein Magnet in zwei Teile, so stellt man fest, dass beide Teilstücke ihrerseits zwei Magnetpole besitzen. Auch bei weiterer Teilung treten die Magnetpole stets paarweise auf. Umgekehrt kann jeder Magnet aus einer Vielzahl kleinster „Elementarmagnete“ aufgefasst werden:

  • Zeigen alle Elementarmagnete eines Magneten geordnet in die gleiche Richtung, so verstärken sie sich in ihrer Wirkung – ein starkes Magnetfeld ist die Folge.
  • Zeigen die Elementarmagnete in unterschiedliche Richtungen, so heben sich ihre Wirkungen gegenseitig auf.
fig-elementarmagnete

Die Elementarmagnete eines magnetisierbaren Materials besitzen unterschiedliche Ausrichtungen. In einem magnetisierten Material weisen die Elementarmagnete hingegen eine einheitliche magnetische Ordnung auf.

Anders als bei elektrischen Ladungen existieren bei Magneten keine „Mono-Pole“, sondern nur „Di-Pole“: Bei einem Magneten treten Nord- und Südpol niemals einzeln, sondern stets in Kombination miteinander auf.

Magnetische Influenz

In nicht magnetisiertem Eisen sind die Elementarmagnete bereichsweise geordnet. Diese so genannten „Weißsche Bezirke“ besitzen ihrerseits allerdings unterschiedliche Ausrichtungen, so dass ein Stück Eisen von sich aus keine magnetische Wirkung auf andere Körper ausübt.

Eisen kann durch Annähern eines Magneten selbst zum Magneten werden. Bei diesem Vorgang, den man als „magnetische Influenz“ bezeichnet, folgen die einzelnen Elementarmagnete wie Kompassnadeln dem äußeren Magnetfeld. Da sich die Wirkungen der einzelnen Elementarmagnete addieren, wirkt das Eisen dadurch auch nach außen hin als Magnet.

In welchem Maß die magnetische Ordnung erhalten bleibt, wenn der äußere Magnet wieder entfernt wird, hängt von der Zusammensetzung des magnetisierten Stoffes ab:

  • Bei magnetisch „weichen“ Materialien, beispielsweise Weicheisen, verschwindet der durch Influenz hervorgerufene Magnetismus (weitgehend) wieder.
  • In magnetisch „harten“ Materialien, beispielsweise Stahl, bleibt die magnetische Wirkung dauerhaft erhalten.

Erschütterungen oder starkes Erhitzen können die Ordnung der Elementarmagnete wieder zerstören. Für alle Stoffe lässt sich eine bestimmte Temperatur („Curie-Temperatur“) angeben, oberhalb derer die thermische Bewegung der Stoffteilchen eine magnetische Ordnung verhindert. Beispielsweise ist Eisen ab \unit[770]{\degree C} nicht mehr magnetisierbar.

Das Magnetfeld

Die Kraft, die ein Magnet auf einen anderen magnetischen Körper ausübt, ist abhängig vom Abstand der Magnete, ihrer Form und von ihrer Ausrichtung zueinander.

Die stärkste Kraft zeigt ein Magnet an seinen beiden gegenüberliegenden Polen:

  • Magnetisierbare Körper (beispielsweise Büroklammern aus Eisen) werden von beiden Magnetpolen gleichermaßen stark angezogen (Magnetische Influenz).
  • Permanent- und Elektromagnete erfahren bei Annäherung ihrer Magnetpole je nach Ausrichtung eine starke anziehende oder abstoßende Wirkung. Werden die Magnetpole – in Anlehnung an das Erdmagnetfeld – als Nord- bzw. Südpol bezeichnet, so zeigt sich, dass sich Nord- und Südpole gegenseitig anziehen, während sich Nord- und Nordpole bzw. Süd- und Südpole gegenseitig abstoßen.

Die magnetische Kraft ist in unmittelbarer Nähe zu den Magnetpolen am stärksten und nimmt mit zunehmendem Abstand von den Magnetpolen ab.

Die Abhängigkeit der Magnetkräfte von der Form des Magneten lässt sich am leichtesten mit Hilfe von Eisenfeilspänen beobachten. Diese werden an unterschiedlichen Stellen um den Magneten herum verschieden stark ausgelenkt bzw. angezogen, so dass sich jeweils ein für die Form des Magneten charakteristisches Muster ergibt.

Auch eine Magnetnadel lenkt sich, wenn sie um einen Magneten herum bewegt wird, an jeder Stelle in der gleicher Richtung wie die Eisenfeilspäne aus, wobei sich der Nordpol der Magnetnadel stets zum Südpol des Magneten hin orientiert.

Die geschlossenen Linien, die sich in den Mustern der Eisenfeilspäne um den Magneten herum ergeben, deuten somit jeweils auf die Richtung der Magnetkraft hin. Man bezeichnet diese räumliche Verteilung der Magnetkräfte um den Magneten herum als „Magnetfeld“ und stellt sie in technischen Zeichnungen (etwas vereinfacht) durch einige stets geschlossene Linien dar. Oftmals werden noch entlang dieser „Magnetfeldlinien“ kleine Pfeile eingezeichnet, die jeweils am Nordpol aus dem Magneten aus- und am Südpol wieder eintreten.

fig-magnetfeld-stabmagnet

Die Magnetfeldlinien eines Stabmagneten treten am magnetischen Nordpol aus und am Südpol wieder ein.

Auf diese Weise kann sowohl die Kraftwirkung eines Magneten visualisiert werden als auch sein Einfluss auf andere magnetische bzw. magnetisierbare Körper abgeschätzt werden.

Zusammenfassung:

  • Magnetpole treten stets paarweise auf. Entlang diesen verlaufen die Magnetfeldlinien auf stets geschlossenen Bahnen.
  • Die Pfeile der Magnetfeldlinien zeigen innerhalb des Magneten in Richtung Nordpol, außerhalb des Magneten in Richtung Südpol.
  • Gleiche Magnetpole stoßen sich ab, unterschiedliche Magnetpole ziehen sich an.
  • Die magnetische Wirkung nimmt mit zunehmendem Abstand von den Magnetpolen ab.
  • Sind mehrere Magneten in gleicher Richtung ausgerichtet, so verstärken sich ihre Wirkungen zu einem Gesamtmagnetfeld. Bei wechselnder Ausrichtung ist nach außen hin (fast) keine magnetische Wirkung feststellbar.
  • Magnetfelder lassen sich bereits durch dünne magnetisierbare Platten (beispielsweise aus Eisen) abschirmen, durchdringen hingegen nicht magnetisierbare Materialien nahezu ohne Abschwächung.

Elektromagnete

Im Jahr 1820 entdeckte Hans-Christian Oersted, dass auch von einem stromdurchflossenen elektrischen Leiter eine (schwache) Kraftwirkung auf eine nahe gelegene Kompassnadel ausgeht. Diese Feststellung widersprach der bis dahin gängigen Auffassung, dass es sich bei Elektrizität und Magnetismus um zwei voneinander getrennte Phänomene handele.

Durch verschiedene Positionierungen des elektrischen Leiters und der Magnetnadel(n) konnte Örsted in gleicher Weise wie bei Permanentmagneten das schwache Magnetfeld des Leiters bestimmen. Er konnte folgende Gesetzmäßigkeit beobachten:

Rechte-Hand-Regel (für Leiterbahnen):

Umfasst man einen stromdurchflossenen geraden Leiter mit der rechten Hand so, dass der ausgestreckte Daumen entlang der technischen Stromrichtung (von + nach -) zeigt, dann geben die übrigen Finger die Richtung der magnetischen Feldlinien an.
fig-rechte-hand-regel-leiter

Magnetfeldlinien und Rechte-Hand-Regel bei einem geraden, stromdurchflossenen Leiterstück.

Die Rechte-Hand-Regel gilt auch, wenn der elektrische Leiter zu einer Kreisform gebogen wird. Der Daumen muss hierbei mit der Krümmung des Leiters mitgeführt werden, um stets in die technische Stromrichtung zu zeigen. Es stellt sich dabei heraus, dass das resultierende Magnetfeld an den verschiedenen Stellen der Leiterschleife stets in die gleiche Richtung zeigt.

fig-magnetfeld-leiterschleife

Das Magnetfeld einer Leiterschleife.

Beispiel:

  • Liegt die Leiterschleife auf einem Tisch und verläuft die technische Stromrichtung entgegen des Uhrzeigersinns, so zeigt das Magnetfeld im Inneren der Leiterschleife an jeder Stelle senkrecht nach oben. (Auf der Außenseite der Leiterschleife zeigt es senkrecht nach unten.)

Die Kraftwirkungen an den einzelnen Stellen des elektrischen Leiters addieren sich bei einer Leiterschleife somit zu einem Gesamtmagnetfeld, das an die Form eines Ringmagneten erinnert. Dieser Effekt lässt sich noch wesentlich verstärken, indem mehrere Leiterschleifen übereinander gelegt werden bzw. ein langer Leiter zu einer Spule gewickelt wird.

Das Magnetfeld einer stromdurchflossenen Spule

Eine lange stromdurchflossene Spule mit vielen Windungen erzeugt nach außen hin ein Magnetfeld, das dem eines Stabmagneten sehr ähnlich ist. Hierbei gibt wieder die Rechte-Hand-Regel Auskunft, in welcher Richtung sich der Nord- bzw. Südpol des „Elektromagneten“ befindet.

Rechte-Hand-Regel (für Spulen):

Umfasst man die Windungen einer Spule mit der rechten Hand so, dass die Finger in die technische Stromrichtung zeigen, dann liegt der magnetische Nordpol der Spule in Richtung des ausgestreckten Daumens.
fig-rechte-hand-regel-spule

Magnetfeldlinien und Rechte-Hand-Regel bei einer stromdurchflossenen Spule.

Die magnetische Wirkung einer stromdurchflossenen Spule kann zusätzlich gesteigert werden, indem durch die Spule ein Stück nicht magnetisiertes Eisen gelegt wird. Durch die magnetische Influenz wird das Eisen selbst magnetisch und verstärkt die magnetische Wirkung der Spule erheblich.

Elektromagnete haben gegenüber Permanentmagneten folgende Vorteile:

  • Elektromagnete lassen sich ein- und ausschalten.
  • Die Stärke eines Elektromagneten lässt sich durch die Stromstärke in der Spule regulieren.
  • Nord- und Südpol eines Elektromagneten lassen sich vertauschen, indem die Plus- und Minuspole der anliegenden Spannung getauscht werden.
  • Elektromagnete sind fast nicht zerbrechlich, verlieren im Lauf der Zeit nicht an Stärke, und sind kostengünstig herzustellen.

Magnetische Feldstärke und magnetische Flussdichte

Quantitativ kann die Kraftwirkung eines Magnetfelds durch die so genannte magnetische Feldstärke \vec{H} beschrieben werden.

Bei einer geraden Leiterbahn ist die magnetische Feldstärke proportional zur fließenden Stromstärke \vec{I} und umgekehrt proportional zum Abstand r von der Leiterbahn. Es gilt also:

H_{\mathrm{Leiterbahn}} = \frac{I}{2 \cdot \pi \cdot r}

Die Einheit der magnetischen Feldstärke ist gemäß der obigen Formel \frac{A}{m}.

Im Inneren einer Leiterschleife ist der Wert der magnetischen Feldstärke gegenüber einer geraden Leiterbahn um den Faktor \pi erhöht, es gilt also H_{\mathrm{Leiterschleife}}= \frac{I}{2 \cdot r}. Kombiniert man eine Zahl N an Leiterschleifen zu einer langen Spule, so ist die magnetische Feldstärke im Inneren der Spule nahezu „homogen“, die Feldlinien verlaufen also parallel zueinander. Für die magnetische Feldstärke einer Spule mit einer Windungszahl N und einer Länge l gilt:

(1)H_{\mathrm{Spule}} = \frac{N \cdot I}{l}

Eine zweite wichtige Größe zur Beschreibung von magnetischen Feldern ist die so genannte magnetische Flussdichte \vec{B}. Sie gibt anschaulich an, wie viele Feldlinien durch eine bestimmte Fläche hindurchgehen. Zwischen der magnetischen Flussdichte, welche die räumliche Verteilung der Feldlinien kennzeichnet, und die magnetische Feldstärke, welche die Kraftwirkung auf andere Magneten beschreibt, gibt es folgenden Zusammenhang:

(2)\vec{B} = \mu_0 \cdot \vec{H}  \quad \Leftrightarrow \quad \vec{H} =
\frac{1}{\mu_0} \cdot \vec{B}

Hierbei bezeichnet \mu_0 = \unit[1,256 \cdot 10 ^{-6}]{\frac{V \cdot
s}{A \cdot m}} die magnetische Feldkonstante. Für die magnetische Flussdichte ergibt sich damit als Einheit:

[B] = \unit[1]{\frac{V \cdot s}{m^2}} = \unit[1]{Tesla} = \unit[1]{T}

Beispielsweise beträgt die magnetische Flussdichte der Erde rund \unit[0,04]{mT}.

Der obige Zusammenhang (2) gilt streng genommen nur im Vakuum, in guter Näherung jedoch auch in Luft. Befindet sich jedoch ein anderes Material im Magnetfeld, so muss dessen so genannte Permeabilität berücksichtigt werden, die angibt, ob die durch das Material laufenden Feldlinien durch das Material eher zusammengezogen oder aus dem Material hinausgedrängt werden. Allgemein gilt also:

\vec{B} = \mu_{\mathrm{r}} \cdot \mu_0 \cdot \vec{H}

Für die Größe der Permeabilitätszahl \mu_{\mathrm{r}} gibt es im wesentlichen drei verschiedene Fälle:

  • In diamagnetischen Materialien \mu_{\mathrm{r}} < 1, die magnetische Flussdichte wird also gegenüber dem äußeren Feld leicht verringert. Beispiele: Kupfer, Zink, Wasser, Stickstoff.
  • In paramagnetischen Materialien ist \mu_{\mathrm{r}} > 1, die magnetische Flussdichte wird also gegenüber dem äußeren Feld leicht erhöht. Beispiele: Aluminium, Platin, Sauerstoff.
  • In ferromagnetischen Materialien ist \mu_{\mathrm{r}} \gg 1, ist die magnetische Flussdichte wird also gegenüber dem äußeren Feld stark erhöht. Beispiele: Eisen, Cobalt, Nickel.
fig-diamagnetismus-paramagnetismus-ferromagnetismus

Feldlinienverlauf bei einer diamagnetischen, paramagnetischen und ferromagnetischen Material (von links nach rechts).

Die Permeabilitätszahlen von dia- und paramagnetischen Materialien sind meist nur wenig von 1 verschieden, so dass die magnetischen Eigenschaften dieser Materialien in technischen Anwendungen nur selten eine Rolle spielen.

Die Lorentz-Kraft

Während jeder elektrische Stromfluss ein Magnetfeld zur Folge hat, so hat gleichermaßen jedes Magnetfeld einen Einfluss auf einen elektrischen Strom.

Befindet sich ein Stück eines stromdurchflossenen Leiters in einem Magnetfeld, so wirkt auf das Leiterstück eine Kraft. Sie wird nach ihrem Entdecker Hendrik Antoon Lorentz als „Lorentz-Kraft“ bezeichnet. Der Betrag der Kraft hängt von der Stärke Stromflusses bzw. Magnetfeldes sowie vom Winkel zwischen Leiter und Magnetfeld ab:

  • Der Betrag der Kraft ist am größten, wenn der Leiter senkrecht zum Magnetfeld ausgerichtet ist.
  • Zeigen der Leiter und das Magnetfeld in die gleiche Richtung, so wirkt keine Kraft.

Die Lorentz-Kraft wirkt stets senkrecht zur Stromrichtung und senkrecht zum Magnetfeld. Für den Zusammenhang zwischen Stromfluss, Magnetfeld und Richtung der wirkenden Kraft gilt folgende Merkregel:

Drei-Finger-Regel:

Zeigt der Daumen der rechten Hand in Richtung der technischen Stromrichtung (von + nach -) und der Zeigefinger in Richtung des Magnetfeldes, so gibt der Mittelfinger die Richtung der wirkenden Kraft an.
fig-lorentzkraft-drei-finger-regel

Die Drei-Finger-Regel als Merkhilfe für die Richtungen der Lorentskraft \vec{F} _{\mathrm{B}}, des Magnetfeldes \vec{B} und der technischen Stromrichtung \vec{I}.

Bezeichnet man die Länge des vom Strom I durchflossenen Leiterstücks, das sich im Magnetfeld \vec{B} befindet, mit \vec{s}, so kann die Lorentzkraft \vec{F}_{\mathrm{L}} quantitativ mittels folgender Formel berechnet werden:

(3)\vec{F}_{\mathrm{L}} = I \times (\vec{s} \times \vec{B})

Verläuft der stromdurchflossene Leiter senkrecht zum Magnetfeld, so ist der Betrag der Lorentzkraft gleich F_{\mathrm{L}} = I \cdot s \cdot B, andernfalls ergibt das Vektorprodukt F_{\mathrm{L}} = I \cdot s \cdot B \cdot \sin{(\alpha)}, wobei \alpha den Winkel zwischen dem Leiterstück und dem Magnetfeld angibt. Wird nicht nur ein einzelnes Leiterstück, sondern beispielsweise eine Spule mit n Windungen in das Magnetfeld eingebracht, so ergibt sich auch eine n-fache Weglänge s und somit eine n-fache Kraftwirkung; dies wird beispielsweise bei der Konstruktion von Elektromotoren genutzt.

Bewegung geladener Teilchen in magnetischen Feldern

Ein elektrischer Strom entspricht einem zeitlichen Transport elektrischer Ladung. Setzt man den Zusammenhang I = \frac{Q}{t} zwischen der Stromstärke I, der transportierten Ladungsmenge Q und der dafür benötigten Zeit t in die die obige Formel (3) ein, so folgt:

\vec{F}_{\mathrm{L}} = \frac{Q}{t} \times (\vec{s} \times \vec{B})

Diese Gleichung kann auch folgendermaßen geschrieben werden:

\vec{F}_{\mathrm{L}} &= Q \times \left(\frac{\vec{s}}{t} \times
\vec{B}\right)

Das Verhältnis aus der Wegstrecke s und der Zeit t kann als Geschwindigkeit v geschrieben werden. Somit ergibt sich für ein mit einer Ladung Q geladenes Teilchen, das sich mit der Geschwindigkeit \vec{v} durch ein Magnetfeld mit einer Flussdichte \vec{B} bewegt:

(4)\vec{F}_{\mathrm{L}} &= Q \times (\vec{v} \times \vec{B})

Auch in diesem Fall ergibt das Vektorprodukt einen maximalen Wert, wenn sich das Teilchen senkrecht zum Magnetfeld bewegt; andernfalls kann für das Vektorprodunkt \vec{v} \times \vec{B} auch v \cdot B \cdot \sin{(\alpha)} geschrieben werden, wobei \alpha den Winkel zwischen der Bewegungsrichtung des geladenen Teilchens und der Richtung des Magnetfelds angibt. Die obige Gleichung kann auch folgendermaßen geschrieben werden:

\vec{F}_{\mathrm{L}} &= Q \cdot v \cdot B \cdot \sin{(\alpha)}

Ist \alpha = 90 \degree, so gilt \sin{(\alpha)} = \sin{(90
\degree)} = 1, und die Lorentz-Kraft nimmt ihren maximalen Wert F_{\mathrm{L,max}} = Q \cdot v \cdot B an.

Anwendung: Massen-Spektrometer

Die Lorentz-Kraft kann genutzt werden, um die so genannte „spezifische Ladung“ eines Teilchens, das heißt das Verhältnis aus seiner Ladung Q und seiner Masse m zu bestimmen. Hierzu lässt man das Teilchen (beziehungsweise ein Strahl gleichartiger Teilchen) mit einer Geschwindigkeit v senkrecht zu den Magnetfeldlinien in ein Magnetfeld eintreten.

Bewegt sich ein geladenes Teilchen, beispielsweise ein Ion oder ein Elektron, in der waagrechten Ebene und ist das Magnetfeld vertikal ausgelegt, so bleibt die Geschwindigkeit \vec{v} des Teilchens auch bei einer Ablenkung durch die Lorentz-Kraft senkrecht zum Magnetfeld. Befindet sich die Anordnung in einem Vakuum, so herrschen keine Reibungskräfte, also ist der Betrag der Geschwindigkeit v des Teilchens konstant. Hält man auch die magnetische Flussdichte B des Magnetfelds konstant, so bleibt ebenfalls der Betrag der Lorentz-Kraft F_{\mathrm{L}} konstant.

Die Lorentz-Kraft zwingt das geladene Teilchen durch die kontinuierliche Ablenkung auf eine Kreisbahn. Als Gleichgewichtsbedingung müssen die dafür notwendige Radialkraft F_{\mathrm{rad}} und die Lorentz-Kraft F_{\mathrm{L}} gleich groß sein:

F_{\mathrm{rad}} &= F_{\mathrm{L}} \\[4pt]
m \cdot \frac{v^2}{r} &= Q \cdot v \cdot B \\[4pt]

Für die spezifische Ladung \frac{Q}{m} des Teilchens ergibt sich also:

\frac{Q}{m} = \frac{v}{r \cdot B}

Ist die Flussdichte B des Magnetfelds sowie die Eintrittsgeschwindigkeit v bekannt, so kann durch eine Messung des Radius r der Kreisbahn auf die spezifische Ladung des Teilchens geschlossen werden; eine derartige Anordnung wird Massen-Spektrometer genannt.

Handelt es sich bei dem Teilchen-Strahl um Ionen mit jeweils gleicher Ladung, so kann mit einem Massen-Spektrometer insbesondere bestimmt werden, in welchem Verhältnis einzelne Isotope des Ions auftreten; diese haben weitestgehend gleiche chemische und physikalische Eigenschaften, variieren jedoch in ihrer Masse m. In einem Massen-Spektrometer werden Isotope mit größerer Masse auf Kreisbahnen mit größerem Radius gelenkt, so dass mittels entsprechender Detektoren die Häufigkeitsverteilung der einzelnen Isotope gemessen werden kann.

Anwendung: Hall-Sensoren

Die Lorentz-Kraft findet auch Anwendung in nach Edwin Hall benannten „Hall-Sensoren“, die zur Messung von magnetischen Flussdichten verwendet werden können.

Ein Hall-Sensor hat prinzipiell folgenden Aufbau:

  • Längs durch ein dünnes Halbleiter-Plättchen lässt man, indem man an den zwei entsprechenden Anschluss-Stellen eine konstante elektrische Spannung anlegt, einen elektrischen Strom fließen. Hierdurch bewegen sich also Elektronen mit einer bestimmten Geschwindigkeit v in Längsrichtung durch das Plättchen.

  • Tritt senkrecht durch die Querschnittsfläche des Plättchens ein magnetischer Fluss B hindurch, so erfahren die Elektronen gemäß der Gleichung (4) eine Lorentz-Kraft und somit eine Ablenkung entlang der Breite des Plättchens. Für den Betrag der ablenkenden Kraft gilt also:

    F_{\mathrm{L}} = Q \cdot v \cdot B

  • Durch die Ablenkung der Elektronen und den Verbleib der positiv geladenen Atomkerne baut sich entlang der Breite des Plättchens ein elektrisches Feld auf. Das elektrische Feld übt auf die Elektronen eine Kraft in die umgekehrte Richtung aus, das sich die angehäuften Elektronen gegenseitig abstoßen. Für den Betrag der elektrischen Kraft F_{\mathrm{el}} gilt:

    F_{\mathrm{el}} = Q \cdot E = Q \cdot \frac{U}{b}

    Hierbei wurde der Zusammenhang E = \frac{U}{d} genutzt, der die elektrische Feldstärke E eines Plattenkondensators in Abhängigkeit von der anliegenden Spannung U und dem Plattenabstand d beschreibt. Im obigen Fall entspricht der Plattenabstand gerade der Breite b des Plättchens.

Die Elektronen in einem Hall-Sensor werden so lange durch die Lorentz-Kraft abgelenkt, bis sich durch das sich aufbauende elektrische Feld eine gleich große, entgegengesetzt gerichtete Kraft einstellt. Ist dies der Fall, so herrscht folgendes Gleichgewicht:

F_{\mathrm{L}} &= F_{\mathrm{el}} \\[4pt]
Q \cdot v \cdot B &= Q \cdot \frac{U_{\mathrm{H}}}{b}

Die sich im Gleichgewichtsfall einstellende elektrische Spannung wird „Hall-Spannung“ U_{\mathrm{H}} genannt; sie kann an entsprechenden Anschlüssen entlang der Breitseite des Plättchens abgegriffen und gemessen werden. Für die Hall-Spannung gilt gemäß der obigen Gleichung:

(5)U_{\mathrm{H}} &= B \cdot v \cdot b

Kennt man die Geschwindigkeit der Elektronen, die sich je nach Halbleiter-Material beim Stromfluss durch das Plättchen einstellt, so kann durch eine Messung der Hall-Spannung unmittelbar die magnetische Flussdichte B eines externen Magnetfelds berechnet werden.

Hall-Sensoren haben in der Praxis vielerlei Anwendungen, insbesondere weil sie sehr resistent gegen Wasser, Schmutz und Erschütterungen sind. Sie werden beispielsweise in so genannten „Stromzangen“ zur berührungslosen Messung von Strömen in elektrischen Leitern sowie in Leitungssuchgeräten eingesetzt; in beiden Fällen wird ausgenutzt, dass elektrische Ströme in Leitern ein Magnetfeld hervorrufen, das mit Hall-Sensoren gemessen werden kann. Ebenso werden Hall-Sensoren zur Drehzahlmessung in Fahrzeugen und Turbinen eingesetzt; in die am Hall-Sensor vorbei rotierenden Objekte müssen lediglich kleine Magnete verbaut werden, die bei jeder Umdrehung am Sensor ein kurzes Spannungs-Signal bewirken, der mit einer geeigneten Mess-Schaltung registriert werden kann.

Elektromagnetische Induktion

Bewegt man ein Stück Metall senkrecht zu den Feldlinien eines homogenen Magnetfelds, so bewirkt die Lorentz-Kraft im Inneren des Leiters eine Verschiebung der Elektronen senkrecht zur Bewegungsrichtung und ebenfalls senkrecht zur Richtung des Magnetfelds. Da sich nur die freien Elektronen, jedoch nicht die positiv geladenen Atomkerne bewegen, baut sich im Inneren des Metalls zwischen den beiden Enden ein elektrisches Feld beziehungsweise eine elektrische Spannung auf.

fig-elektromagnetische-induktion-leiterschaukel

Elektromagnetische Induktion durch mechanisches Bewegen einer Leiter-Schaukel.

Dieser Vorgang wird elektromagnetische Induktion genannt. Schließt man ein Messgerät oder einen Verbraucher (beispielsweise eine kleine Glühbirne) an die Enden des Leiters an, so kann prinzipiell die induzierte Spannung gemessen beziehungsweise als Stromquelle genutzt werden. Bei einem einzelnen kurzen Leiterstück ergeben sich jedoch nur sehr geringe Spannungswerte im Milivolt-Bereich; größere Spannungs- beziehungsweise Stromwerte ergeben sich wiederum, wenn das einzelne Leiterstück durch eine Spule mit möglichst vielen Windungen ersetzt wird.

In der obigen Abbildung ist auch die technische Stromrichtung eingezeichnet, die sich bei einer Bewegung der Leiterschaukel durch die angegebene mechanische Kraft ergibt (Lorentz-Kraft beziehungsweise Drei-Finger-Regel). Ist kein Verbraucher beziehungsweise Messgerät angeschlossen, so baut sich in gleicher Richtung ein elektrisches Feld auf, bedingt durch Ladungsverschiebungen im Inneren der Leiterschaukel. Im Gleichgewichtsfall wird die Lorentz-Kraft, welche die Elektronen im Inneren des durch das Magnetfeld bewegten Leiterstücks erfahren, durch das sich resultierende elektrische Feld ausgeglichen:

F_{\mathrm{L}} &= F_{\mathrm{el}} \\[4pt]
Q \cdot v \cdot B &= Q \cdot \frac{U_{\mathrm{i}}}{d}

Die sich einstellende Spannung wird Induktionsspannung U_{\mathrm{i}} genannt, d bezeichnet die Länge des Leiterstücks, das sich im Magnetfeld befindet. Wird die obige Gleichung nach U_{\mathrm{i}} aufgelöst, so ergibt sich:

U_{\mathrm{i}} &= B \cdot v \cdot d

Es tritt nur dann eine Induktionsspannung auf, wenn der Leiter mit einer Geschwindigkeit v senkrecht zum Magnetfeld bewegt wird. Hat die Geschwindigkeit den Wert Null oder verläuft die Bewegung parallel zu den Magnetfeldlinien, so ist die induzierte Spannung gleich Null.

Das Faraday’sche Induktionsgesetz

Um eine allgemeinere Formel zur Beschreibung der einer elektromagnetischen Induktion auftretenden Spannung U_{\mathrm{i}} aufstellen zu können, ist es sinnvoll, eine neue Größe \varPhi zu definieren, die man als „magnetischen Fluss“ bezeichnet:

(6)\varPhi = B \cdot A

Zwischen dem magnetischen Fluss \varPhi und der magnetischen Flussdichte B = \frac{\varPhi}{A} besteht ein ähnlicher Zusammenhang wie zwischen der Stromstärke I und der Stromdichte j = \frac{I}{A}: Die letzteren Größen geben jeweils die Flächendichte der Bezugsgröße an. Bei der magnetischen Flussdichte geht es allerdings nicht um Ladungsträger, die durch eine bestimmte Fläche hindurch wandern, sondern um die Anzahl an Feldlinien, welche durch diese hindurchgehen. Der magnetische Fluss beschreibt entsprechend der Menge an Feldlinien, welche durch eine Fläche A verlaufen.

fig-magnetischer-fluss-leiterschleife

Magnetischer Fluss \varPhi durch eine Leiterschleife.

Ist der magnetische Fluss \varPhi durch eine Fläche zeitlich konstant, so ist die induzierte Spannung U_{\mathrm{i}} gleich Null. Ändert sich hingegen der magnetische Fluss \varPhi, indem man wahlweise die Stärke B der magnetischen Flussdichte und/oder die Größe der vom Magnetfeld durchfluteten Fläche A ändert, so wird eine Induktionsspannung U_{\mathrm{i}} erzeugt, die umso größer ist, je schneller diese Änderung erfolgt. Als Zusammenhang ergibt sich somit für die Induktionsspannung in einer Leiterschleife:

(7)U_{\mathrm{i}} = - \frac{\Delta \varPhi}{\Delta t}

Diese Gesetzmäßigkeit, wonach die in einer Leiterschleife induzierte Spannung gleich der zeitlichen Änderung des magnetischen Flusses ist, wurde als erstes im Jahr 1831 von Michael Faraday entdeckt.

Beispiele:

  • In einem homogenen und zeitlich konstanten Magnetfeld kann eine Änderung der vom Magnetfeld durchfluteten Fläche A einerseits durch ein Verschieben der Leiterschleife in das Magnetfeld hinein beziehungsweise aus dem Magnetfeld heraus bewirkt werden; andererseits kann der gleiche Effekt, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist, auch durch eine Rotation der Leiterschleife im Magnetfeld bewirkt werden.

    fig-magnetischer-fluss-aenderung

    Änderung des magnetischen Flusses durch eine Leiterschleife mittels Rotation.

  • Bewegt man durch eine ruhende Leiterschleife einen Stabmagneten, dessen magnetische Flussdichte nicht homogen ist (sondern zu den Polen hin zunimmt), so spürt die Leiterschleife ein sich zeitlich änderndes Magnetfeld. Auch hierbei wird also eine (wenn auch sehr geringe) Spannung induziert.

Die beiden oben beschriebenen Möglichkeiten zum Erwirken einer Induktionsspannung können optimiert werden, indem man statt einer einzelnen Leiterschleife eine aus möglichst vielen Windungen bestehende Spule verwendet. Für die Induktionsspannung einer Spule mit N Windungen gilt:

(8)U_{\mathrm{i}} = - N \cdot \frac{\Delta \varPhi}{\Delta t}

Die Lenzsche Regel

In den obigen Gleichung (7) und (8) zur Beschreibung der Induktionsspannung steht jeweils vor der zeitlichen Änderung \frac{\Delta \varPhi}{\Delta
t} ein Minus-Zeichen. Dies ist eine Folge einer von Emil Lenz entdeckten Gesetzmäßigkeit, wonach die Induktionsspannung stets ihrer Ursache entgegenwirkt.

Die Ursache für die Induktionsspannung ist letztlich die Lorentz-Kraft, welche im Inneren der bewegten Leiterschleife(n) eine Verschiebung der Elektronen und somit ein elektrisches Feld bewirkt. Durch dieses Feld werden die Elektronen allerdings nicht weiter beschleunigt (was ein Perpetuum mobile zur Folge hätte), sondern vielmehr abgebremst.

… to be continued …


Hinweis

Zu diesem Abschnitt gibt es Experimente und Übungsaufgaben.