Exkurs: Komplexe Zahlen

Die Menge der komplexen Zahlen \mathbb{C} stellt eine zusätzliche Erweiterung der reellen Zahlen dar. Ein ursprüngliches Ziel dieser Erweiterung war es, auch die Rechenoperation des Wurzelziehens uneingeschränkt mit allen Zahlen des zugrunde liegenden Zahlenbereichs ausführbar zu machen, also auch Wurzeln mit negativen Argumenten zu definieren.

Um eine Lösung für eine Wurzel mit negativem Argument angeben zu können, wird formal eine „imaginäre Einheit“ i eingeführt, welche die folgende Gleichung erfüllt:

(1)i = \sqrt{-1}

Die Menge \mathbb{I} der imaginären Zahlen entspricht der Menge an Zahlen, die man erhält, wenn man die imaginäre Einheit i mit einem beliebigen (reellen) Vielfachen b multipliziert:

\mathbb{I} = \lbrace b \cdot i \; | \; b \in \mathbb{R} \text{ und } i =
\sqrt{-1} \rbrace

Bildet man die Summe aus einer reellen Zahl a und einer imaginären Zahl b \cdot i, so erhält man eine komplexe Zahl z:

(2)z = a + b \cdot i

Für die Menge \mathbb{C} der komplexen Zahlen gilt entsprechend:

\mathbb{C} = \lbrace a + b \cdot i \; | \; a,b \in \mathbb{R} \text{ und } i
= \sqrt{-i} \rbrace

Jede komplexe Zahl z setzt sich somit aus einem „Realteil“ a und einem „Imaginärteil“ b \cdot i zusammen. Die Menge der reellen Zahlen \mathbb{R} stellen dabei eine Teilmenge der komplexen Zahlen \mathbb{C} dar, für die b=0 gilt.

Rechnen mit komplexen Zahlen

Die Rechenregeln für reelle Zahlen lassen sich weitgehend auf komplexe Zahlen übertragen, wenn man i = \sqrt{-1} beziehungsweise die dazu äquivalente Beziehung i^2 = \sqrt{-1} \cdot \sqrt{-1} = -1 beachtet.

  • Addiert beziehungsweise subtrahiert man zwei komplexe Zahlen z_1 und z_2, so erhält man eine neue komplexe Zahl, deren Real- und Imaginärteil gleich der Summe beziehungsweise Differenz der Real- und Imaginärteile von z_1 und z_2 ist:

(3)z_1 + z_2 &= (a_1 +  b_1 \cdot i) + (a_2 + b2 \cdot i) =  (a_1 + a_2) + (b_1
+ b_2) \cdot i \\
z_1 - z_2 &= (a_1 +  b_1 \cdot i) - (a_2 + b2 \cdot i) =  (a_1 - a_2) + (b_1
- b_2) \cdot i \\

  • Multipliziert man zwei komplexe Zahlen z_1 und z_2 miteinander, so erhält man eine neue komplexe Zahl, indem man alle Komponenten beider Zahlen miteinander multipliziert und hierbei i^2 = -1 setzt.[1]

(4)z_1 \cdot z_2 = ( a_1 +  b_1 \cdot i) \cdot ( a_2 +  b_2 \cdot i) = ( a_1
\cdot  a_2 - b_1 \cdot  b_2) + (b_1 \cdot  a_2  + a_1 \cdot  b_2) \cdot i

  • Dividiert man eine komplexe Zahl z_1 durch eine andere komplexe Zahl z_2 miteinander, so erhält man eine neue komplexe Zahl, indem man den Bruch um die so genannte „komplex konjugierte“ Zahl z_2 ^{*} =  a_2 -
b_2 \cdot i des Nenners erweitert:[2][3]

(5)\frac{z_1}{z_2} = \frac{a_1 +  b_1 \cdot i}{a_2 +  b_2 \cdot i} =
\frac{(a_1 +  b_1 \cdot i) \cdot (a_2 - b_2 \cdot i)}{(a_2 + b_2 \cdot i)
\cdot (a_2 - b_2 \cdot i)} = \frac{(a_1 \cdot a_2 + b_1 \cdot b_2) + (b_1
\cdot a_2 - a_1 \cdot b_2 ) \cdot i}{a_2\,\!^2 + b_2\,\!^2}

Gaußsche Zahlenebene und Polarform

Komplexe Zahlen lassen sich zwar nicht auf einer Zahlengeraden, dafür aber als Punkte einer Zahlenebene (zu Ehren von Carl Friedrich Gauss auch „Gauss’sche Ebene“ genannt) darstellen, die von einer reellen und dazu senkrecht stehenden imaginären Zahlenachse aufgespannt wird.

fig-gausssche-zahlenebene

Darstellung der komplexen Zahl z = 4 + 3 \cdot i anhand der Gauss’schen Zahlenebene.

Eine komplexe Zahl lässt sich in der Gauss’schen Ebene entweder anhand ihrer Koordinaten (Real- und Imaginärteil) oder anhand der Länge |z| und Richtung \varphi ihres Zeigers bestimmen. Die Länge des Zeigers, die vom Koordinatenursprung zum Ort der Zahl führt, ist eine nicht negative reelle Zahl:

(6)| z | = \sqrt{z \cdot z^{*}} = \sqrt{a^2 + b^2}

Hierbei wird wiederum genutzt, dass das Produkt einer komplexen Zahl z =
a + b \cdot i mit ihrer konjugiert komplexen Zahl z^{*} = a - b \cdot
i gleich der reellen Zahl z \cdot z^{*} = a^2 + b^2 ist. In der Gauss’schen Ebene kann die komplex konjugierte Zahl z^{*} durch eine vertikale Spiegelung von z an der reellen Zahlenachse bestimmt werden.

Der Zusammenhang zwischen dem Real- und Imaginärteil von z, ihrem Betrag |z| und dem Winkel \varphi ihres Zeigers kann mittels der trigonomischen Größen \sin{} und \cos{} formuliert werden. Es gilt:

a = | z | \cdot \cos{\varphi} \\
b = | z | \cdot \sin{\varphi} \\

Jede komplexe Zahl kann somit neben der Koordinatenform auch in einer so genannten „Polarform“, also über die Angabe ihres Betrags |z| und Winkels \varphi, in folgender Weise angegeben werden:

z = a + b \cdot i = |z| \cdot \cos{\varphi} + |z| \cdot \sin{\varphi} \cdot i

beziehungsweise

z = |z| \cdot (\cos{\varphi} + i \cdot \sin{\varphi})

… to be continued …


Anmerkungen:

[1]

Explizit kommt Gleichung (4) folgendermaßen zustande:

z_1 \cdot z_2 &= (a_1 + b_1 \cdot i) \cdot (a_2 +  b_2 \cdot i) \\
&= a_1 \cdot a_2 + a_1 \cdot b_2 \cdot i + b_1 \cdot a_2 \cdot i + b_1
\cdot b_2 \cdot i^2 \\
&= (a_1 \cdot a_2 - b_1 \cdot b_2) + (a_1 \cdot b_2 + b_1 \cdot a_2)
\cdot i

In der letzten Zeile wurde die Beziehung i^2= -1 genutzt. Zusätzlich wurden die bei der Multiplikation entstandenen realen und imaginären Anteile sortiert und durch Klammern zusammen gefasst.

[2]

Die Multiplikation einer komplexen Zahl z = a + b \cdot i mit ihrer komplex konjugierten Zahl z ^{*} = a - b \cdot i ergibt die (reelle) Zahl a^2 + b^2:

(a + b \cdot i) \cdot (a - b \cdot i) = a^2 + a \cdot b \cdot i - b
\cdot a \cdot i - b^2 \cdot i^2 = a^2 + b^2

Hierbei wurde wiederum die Beziehung i^2= -1 genutzt.

[3]

Mit Hilfe der Divisionsformel (5) kann beispielsweise auch der Kehrbruch einer komplexen Zahl bestimmt werden. Es gilt:

\frac{1}{z} = \frac{1}{a + b \cdot i} = \frac{1 \cdot (a - b \cdot
i)}{(a + b \cdot i) \cdot (a - b \cdot i)} = \frac{a - b \cdot i}{a^2 +
b^2}