Vektoren¶
Darstellung von Vektoren¶
Bei Vektoren handelt es sich aus geometrischer Sicht um Strecken mit einer bestimmten Länge, die sowohl eine bestimmte Richtung, wie auch einen bestimmten Richtungssinn haben; dieser wird in Zeichnungen durch Pfeil am Ende der Strecke hervorgehoben. In der Formelschreibweise werden Vektoren meist mit kleinen lateinischen Buchstaben bezeichnet und durch einen Pfeil über der Vektorgröße markiert.
Je nachdem, ob zwei- oder dreidimensionale geometrische Formen untersucht werden, reicht ein geordnetes Paar aus zwei oder ein Tupel aus drei Koordinatenwerten – also beziehungsweise – aus, um einen Vektor vollständig zu charakterisieren.[1] Die einzelnen Koordinatenwerte („Komponenten“) geben dabei an, um wie viele Längeneinheiten die Spitze des Vektors entlang der jeweiligen Raumrichtung vom Anfangspunkt des Vektors entfernt liegt.
(1)¶
Ein Vektor, dessen Anfangspunkt dem Ursprung des Koordinatensystems entspricht, wird als Ortsvektor bezeichnet. Jeder Punkt eines Raumes kann durch einen zugehörigen Ortsvektor eindeutig charakterisiert werden.
Betrag eines Vektors
Die Länge der Verbindungsstrecke vom Anfangspunkt eines Vektors zu seinem Endpunkt wird Betrag des Vektors genannt. In Kurzform schreibt man dafür oder (ohne Vektorpfeil).
Der Betrag eines Vektors kann mit Hilfe des Satzes von Pythagoras folgendermaßen anhand seiner Komponenten und (und bei dreidimensionalen Vektoren) berechnet werden:
(2)¶
Beispiele:
Der zweidimensionale Vektor hat folgenden Betrag:
Der dreidimensionale Vektor hat folgenden Betrag:
Identische Vektoren
Zwei Vektoren und sind gleich, wenn sie in allen Koordinaten übereinstimmen. Beide Vektoren haben dann den gleichen Betrag, die gleiche Richtung und den gleichen Richtungssinn. Sie können allerdings von unterschiedlichen Anfangspunkten ausgehen und daher parallel zueinander im Raum verschoben sein, da für Vektoren stets nur die Differenz der Koordinatenwerte von Anfangspunkt und Endpunkt von Bedeutung ist.
Gegenvektor
Das Negative eines Vektors , auch „Gegenvektor“ genannt, ist ein Vektor mit gleichem Betrag und gleicher Richtung wie , jedoch mit umgekehrtem Richtungssinn.
In der Komponentenschreibweise kann der zu einem Vektor gehörende Gegenvektor gebildet werden, indem man alle Komponenten von mit einem Minuszeichen versieht:
(3)¶
Bei zweidimensionalen Vektoren wird die dritte Komponente weggelassen.
Normvektor und Nullvektor
Ein Vektor, dessen Länge genau einer Längeneinheit entspricht, wird „normierter“ Vektor genannt.
Ein Vektor mit Betrag Null wird als Nullvektor bezeichnet. Bei einem Nullvektor sind Anfangs- und Endpunkt identisch.
Addition und Subtraktion von Vektoren¶
Ein Vektor kann durch Beibehalten seiner Richtung und seines Richtungssinns, also parallel im Raum verschoben werden, ohne dass sich die Werte seiner Komponenten ändern. Dies kann genutzt werden, um zwei Vektoren zeichnerisch zu addieren beziehungsweise subtrahieren.
Der Summenvektor
Fügt man an einen Vektor einen zweiten Vektor durch eine passende Verschiebung (Translation) so an, dass der Anfangspunkt des zweiten Vektors mit dem Endpunkt des ersten Vektors übereinstimmt, dann erhält man den Summenvektor , indem man den Anfangspunkt des ersten Vektors mit dem Endpunkt des zweiten Vektors verbindet.
Rechnerisch erhält man den Summenvektor, indem man die einzelnen Komponenten beider Vektoren addiert:
(4)¶
Eine Addition von Vektoren mit unterschiedlicher Dimension ist nicht definiert.
Der Differenzvektor
Die Differenz zweier Vektoren lässt sich zeichnerisch auf ähnliche Weise bestimmen, indem man den Gegenvektor des zweiten Vektors zum ersten Vektor addiert.
Rechnerisch erhält man den Differenzvektor, indem man die einzelnen Komponenten beider Vektoren subtrahiert:
(5)¶
Multiplikation von Vektoren¶
Vektoren können entweder mit einer reellen Zahl (einem so genannten „Skalar“) als auch mit anderen Vektoren multipliziert werden.
Multiplikation eines Vektors mit einer reellen Zahl
Multipliziert man einen Vektor mit einer reellen Zahl , so ergibt sich ein Vektor, der die gleiche Richtung und den gleichen Richtungssinn hat, dessen Betrag jedoch um den Faktor verändert ist.
- Ist , so wird der Vektor gestreckt.
- Ist , so wird der Vektor gestaucht.
- Ist , so wird zusätzlich zur Streckung beziehungsweise Stauchung des Vektors der Richtungssinn umgedreht.
Diese Form der Vektor-Multiplikation wird oftmals auch „S-Multiplikation“ genannt.
Rechnerisch lässt sich ein Vektor mit einer reellen Zahl multiplizieren, indem jede Komponente des Vektors mit dieser Zahl multipliziert wird:
(6)¶
Multipliziert man einen Vektor mit der Zahl , so bleibt er unverändert; es gilt also stets:
(7)¶
Multipliziert man einen Vektor hingegen mit dem Kehrwert seines Betrags , so erhält man den zugehörigen, auf eine Längeneinheit normierten Vektor :
(8)¶
Zusätzlich gelten bezüglich der Multiplikation von Skalaren mit Vektoren das Assoziativ- und Distributivgesetz:
(9)¶
(10)¶
Das Skalarprodukt
Das Skalarprodukt zweier Vektoren und ist definiert als das Produkt ihrer Beträge und , multipliziert mit dem Cosinus des zwischen ihnen eingeschlossenen Winkels :
(11)¶
Schreibt man die beiden Vektoren und in Spaltenform, so kann das Skalarprodukt komponentenweise nach folgender Formel berechnet werden:
(12)¶
Das Ergebnis ist ein skalarer Wert, also eine Zahl. Die Bedeutung des Skalarprodukts wird schnell deutlich, wenn man sich einige Sonderfälle betrachtet:
Stehen die beiden Vektoren und senkrecht zueinander, so ist . Somit ergibt das Skalarprodukt in diesem Fall den Wert Null:
Mit Hilfe dieser Beziehung kann einerseits leicht gepüeft werden, ob zwei Vektoren und senkrecht aufeinander stehen. Andererseits kann bei einem Vektor mit nur zwei gegebenen Komponenten unter Verwendung der komponentenweisen Darstellung die dritte Komponente so bestimmt werden, dass der Vektor auf dem zweiten Vektor senkrecht steht.
Beispiel:
Die dritte Komponente des Vektors soll so bestimmt werden, dass er auf dem Vektor senkrecht steht. Somit muss gelten:
Ist die gesuchte Komponente somit gleich , so stehen beide Vektoren senkrecht aufeinander.
Stehen die beiden Vektoren und parallel zueinander, so ist . Das Skalarprodukt ist in diesem Fall gleich dem Produkt der Beträge beider Vektoren.
Dieser Zusammenhang wurde implizit bereits verwendet, um den Betrag eines bestimmten Vektors zu berechnen. Setzt man nämlich , so gilt:
Der Betrag des Vektors kann somit bestimmt werden, indem man das Skalarprodukt des Vektors mit sich selbst bildet und aus dem Ergebnis die Quadratwurzel zieht. Schreibt man die obige Gleichung komponentenweise, so erhält man die übliche Betrags-Gleichung (2).
Für beliebige Winkel lässt sich das Produkt geometrisch als „Projektion“ des Vektors auf den Vektor deuten. Die Projektion entspricht dabei anschaulich dem „Schattenwurf“ des Vektors , der sich bei einer senkrecht auf einfallenden Beleuchtung ergeben würde.
Der Wert des Skalarprodukts ist damit im Allgemeinen gleich dem Betrag des ersten Vektors, multipliziert mit der senkrechten Projektion des zweiten Vektors auf den ersten.
Da das Skalarprodukt komponentenweise einfach zu berechnen ist, kann es auch genutzt werden, um den Winkel zwischen zwei Vektoren oder einem Vektor und einer der Achsen eines (kartesischen) Koordinatensystems zu berechnen. Für den Winkel zwischen zwei Vektoren gilt nämlich aufgrund von Gleichung (11):
Um den Winkel zu berechnen, muss man somit nur das Skalarprodukt berechnen und dieses durch das Produkt beider Vektor-Beträge dividieren; der Arcus-Cosinus dieses Werts ergibt den gesuchten Winkel.
Um den Winkel zwischen eines Vektors und den einzelnen Raumachsen zu berechnen, kann man diese ebenfalls durch Vektoren der Länge und mit je nur einer einzigen Vektorkomponente dargestellt werden kann, beispielsweise die -Achse durch den Vektor . Man erhält damit:
Gleiches gilt auch für die Skalarprodukte von mit den beiden anderen Raumachsen. Die allgemeine Formel (11) des Skalarprodukts kann damit nach dem gesuchten Winkel aufgelöst werden:
Setzt man und in die obige Gleichung ein, so folgt:[2]
Für die Winkel zwischen und den -Achsen gilt somit:
(13)¶
Das Vektorprodukt
Das Vektorprodukt zweier Vektoren und ergibt einen Vektor, der auf jedem der beiden Vektoren und senkrecht steht. Diese Definition ist erst ab einem dreidimensionalen Raum sinnvoll.
Der Betrag des Vektorprodukts zweier Vektoren und ist gleich dem Produkt ihrer Beträge und , multipliziert mit dem Sinus des zwischen ihnen eingeschlossenen Winkels :
(14)¶
Schreibt man die beiden Vektoren und in Spaltenform, so kann das Vektorprodukt komponentenweise nach folgender Formel berechnet werden:
(15)¶
Das Vektorprodukt findet Anwendung in der analytischen Geometrie und in der Technik. Beispielsweise kann zu zwei gegebenen Richtungsvektoren, die eine Ebene beschreiben, mit Hilfe des Vektorprodukts ein dritter „Normvektor“ gefunden werden, der auf der Ebene senkrecht steht. In der Physik wird das Vektorprodukt beispielsweise bei der Berechnung von Drehmomenten und Drehimpulsen genutzt.
Anmerkungen:
[1] | Vektoreigenschaften lassen sich so verallgemeinern, dass in der algebraischen Geometrie allgemein auch Vektoren mit Dimensionen behandelt werden können. |
[2] | Der Betrag des Vektors ist gleich Eins, da gilt. |