Elektrische Ladung

Alle Stoffe, die wir kennen, sind aus Atomen aufgebaut. Jedes dieser Atome besteht wiederum aus noch kleineren Bestandteilen. Für die Elektrizität und den Magnetismus sind insbesondere die positiv geladenen Protonen des Atomkerns sowie die negativ geladenen Elektronen der Atomhülle von Bedeutung.

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Die ersten Elemente des Periodensystems im Atomschalenmodell.

Vereinfacht lassen sich Elektronen als kleine Teilchen auffassen, die auf kugelartigen Bahnen den Atomkern umkreisen, ähnlich wie die Planeten unseres Universums die Sonne umkreisen. Da die Elektronen auf den inneren Bahnen („Schalen“) sehr fest an den Atomkern gebunden sind, kommen sie als Ladungsträger für den elektrischen Strom nicht in Frage. Die elektrischen Eigenschaften eines Stoffes werden somit (fast) ausschließlich durch diejenigen Elektronen beeinflusst, die sich auf der äußersten Schalte befinden („Valenzelektronen“).

Allgemein gilt für jedes chemische Element:

  • In einem Atom ist die Anzahl der Protonen gleich der Anzahl der Elektronen.

    Während die Protonen fest im Atomkern verankert sind, sind die Elektronen je nach Art des Stoffes mehr oder weniger stark gebunden.

    Elektronen können ein Atom auch komplett verlassen. Als „Atomrumpf“ bleibt dann ein positiv geladenes Ion („Kation“) zurück. Der Stoff bleibt dabei allerdings unverändert – charakteristisch für jedes chemische Element ist nur die Anzahl der Protonen im Atomkern.

  • Protonen und Elektronen sind gleich stark geladen.

    Da jedes Atom gleich viele positive wie negative Ladungsträger besitzt, ist seine Gesamtladung, d.h. die Summe aller Ladungen, gleich null. Von außen betrachtet erscheint ein Atom deshalb als ein elektrisch neutrales Teilchen.

Alle in der Realität vorkommenden elektrischen Ladungsmengen setzen sich aus den Ladungen der Elektronen und Protonen zusammen.

Einheit:

Man hat als Einheit der elektrischen Ladung Q eine Ladungsmenge festgelegt, die so groß ist wie die elektrische Ladung von 6,2 \cdot
10 ^{18} Elektronen. Diese Einheit wird Coulomb (C) genannt.

Mittels dieser Festlegung kann man ebenso sagen, dass ein Elektron eine Ladung von \unit[0,000\,000\, 000\, 000\, 000\, 000\, 16]{C} besitzt. Diese Ladung ist gleichzeitig die kleinste Ladung, die frei in der Natur vorkommen kann – man nennt sie daher auch „Elementarladung“ e.

Ladungstrennung

Unter bestimmten Bedingungen können Elektronen von einem Körper abgetrennt und von einem anderen Körper zusätzlich aufgenommen werden. Durch derartige Vorgänge werden Körper elektrisch geladen. Dabei gilt stets:

  • Ein Körper ist elektrisch neutral, wenn gleich viele positive und negative Ladungen vorhanden sind.
  • Ein Körper ist elektrisch positiv geladen (+), wenn ein Mangel an Elektronen vorhanden ist.
  • Ein Körper ist elektrisch negativ geladen (-), wenn ein Überschuss an Elektronen vorhanden ist.

Die Gesamtmenge an Ladung bleibt bei jeder Ladungstrennung erhalten. In Festkörpern lassen sich durch Reibung nur Elektronen von einem Körper auf einen anderen übertragen. In Flüssigkeiten und Gasen sind auch die positiven Ladungsträger beweglich.

Beispiel:

  • Reibt man ein Stück Hartgummi (Füller, Kamm etc.) an einem Stück Wolle (Schal, Pullover etc.), so gehen Elektronen von der Wolle zu dem Hartgummi über. Trennt man beide voneinander, so bleibt das Hartgummi durch die zusätzlichen Elektronen negativ geladen. In der Wolle bleiben entsprechend Atome mit fehlenden Elektronen zurück; die Wolle ist aufgrund dieser fehlenden Elektronen positiv geladen.

Ob ein Körper durch einen Reibungsvorgang positiv oder negativ aufgeladen wird, hängt von der Art der beteiligten Stoffe ab. Reibt man zwei Körper aneinander, so gibt der näher am Pluszeichen der so genannten „kontaktelektrischen Spannungsreihe“ stehende Stoff Elektronen ab und wird elektrisch positiv. Der näher am Minuszeichen stehende Stoff nimmt Elektronen auf und wird elektrisch negativ.

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Die kontaktelektrische Spannungsreihe (Ausschnitt).

Bandgeneratoren

Mit einem Bandgenerator lässt sich eine Ladungstrennung durch Reibung in erheblichem Umfang und beliebig oft wiederholen. Dazu wird ein elastisches Gummiband mit einer Kurbel oder einem Elektromotor angetrieben:

  • Das Band streift an zwei Metallbürsten, wobei es aufgrund Reibung Elektronen an die untere Bürste abgibt. Die abgestreiften Elektronen fließen durch eine Leitung zu der kleinen Metallkugel und sammeln sich dort an. Das Gummiband lädt sich dadurch positiv auf.
  • An der oberen Bürste übt das positiv geladene Gummiband eine Anziehung auf die Elektronen der Umgebung aus. Einige Elektronen strömen von der großen Metallkugel zur Bürste und entladen das Gummiband. Die große Metallkugel lädt sich dabei positiv auf.
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Aufbau eines Bandgenerators.

Bei kontinuierlichem Betrieb können sich zwischen den Metallkugeln des Bandgenerators so hohe elektrische Spannungen aufbauen, dass kleine Blitze auftreten können: Elektronen „springen“ dann in einem Sekundenbruchteil und mit hellem Leuchten von der kleinen, elektrisch negativen Kugel auf die große, elektrisch positiv geladene Kugel über. Dabei kommt es zu einem Ladungsausgleich, und beide Kugeln werden entladen.

Ladungsausgleich und Ladungsnachweis

Wird ein geladener Körper über einen Metalldraht oder einen ähnlichen leitenden Kontakt mit dem Erdboden verbunden, so kommt es zu einer Entladung. Diesen Vorgang bezeichnet man als „Erden“.

  • Wird ein negativ geladener Körper geerdet, so können überschüssige Elektronen vom Körper ins Erdreich abfließen. Die elektrische Spannung wird dabei abgebaut.
  • Wird ein positiv geladener Körper geerdet, so fließen Elektronen vom Erdreich auf den Körper und gleichen den dort herrschenden Elektronenmangel aus.

Da die Erde über einen gigantischen Vorrat an leicht beweglichen Elektronen verfügt und dadurch jeder Ladungsunterschied unmittelbar ausgeglichen wird, ist eine elektrische Aufladung der Erde selbst bei Kontakt mit größeren Ladungsmengen unmessbar klein. Die Erde kann daher stets als elektrisch neutral betrachtet werden.[1]

Experimentell nachweisen kann man Ladungen beispielsweise anhand der Kräfte, die zwischen geladenen Körpern wirken:

  • Gleichartig geladene Körper (Plus und Plus beziehungsweise Minus und Minus) stoßen einander ab.
  • Unterschiedlich geladene Körper (Plus und Minus) ziehen einander an.
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Kraftwirkung zwischen elektrisch geladenen Körpern.

Je stärker zwei Körper elektrisch geladen sind, desto stärker sind die Kräfte, die zwischen ihnen wirken. Quantitativ kann die zwischen zwei geladenen Körpern wirkende elektrostatische Kraft durch das Coulombsche Gesetz bestimmt werden, das im Abschnitt Elektrische Felder näher beschrieben ist.

Elektroskope

Ein Elektroskop besteht aus einem (meist gebogenen) Metallstab, an dem ein Zeiger leicht drehbar angebracht ist. Der Metallstab besitzt am oberen Ende eine Kontaktfläche und ist durch eine Halterung aus Kunststoff isoliert. Der drehbare Zeiger ist unten etwas schwerer, so dass er im Grundzustand senkrecht ausgerichtet ist.

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Aufbau eines Elektroskops.

  • Berührt man die Kontaktfläche des Elektroskops mit einem negativ geladenen Stab, so breiten sich die frei beweglichen Elektronen mit ihren negativen elektrischen Ladungen entlang des Metallstabs aus. Stab und Zeiger werden gleichartig aufgeladen und stoßen sich gegenseitig ab. Je stärker die Ladung ist, desto stärker ist der Zeigerausschlag.
  • Nähert man der Kontaktfläche des Elektroskops einen positiv geladenen Stab, so werden die frei beweglichen Elektronen des Metallstabs zum positiv geladenen Stab hingezogen. Im unteren Bereich des Elektroskops bleiben die fest verankerten, positiv geladenen Atomrümpfe zurück. Stab und Zeiger sind wiederum gleichartig geladen und stoßen sich gegenseitig ab.
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Funktionsweise eines Elektroskops.

  • Berührt man ein negativ geladenes Elektroskop mit einem positiv geladenen oder geerdeten Körper, so wird es wieder entladen. (Ein positiv geladenes Elektroskop lässt sich entsprechend durch Berührung mit einem negativ geladenen oder geerdeten Körper entladen.)

Mit einem Elektroskop kann man somit die Menge einer elektrischen Ladung messen, jedoch nicht, ob es sich um positive oder negative Ladung handelt.

Glimmlampen

Eine Glimmlampe besteht aus einem Glaskolben, in dem zwei Metalldrähte so eingeschmolzen sind, daß sie einander dicht gegenüberstehen, sich jedoch nicht berühren. Der Glaskolben ist mit einem Gas, meist Neon, unter geringem Druck gefüllt.

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Aufbau einer Glimmlampe.

Glimmlampen werden zum Ladungsnachweis bei hohen elektrischen Spannungen (mindestens 180 Volt) eingesetzt. Berührt man mit einem leitenden Kontakt der Glimmlampe einen negativ geladenen Körper, beispielsweise die kleine Metallkugel eines geladenen Bandgenerators, so leuchtet die Umgebung des anliegenden Metalldrahts in der Glimmlampe auf.

Mit einem Elektroskop oder einer Glimmlampe kann nur nachgewiesen werden, ob ein Körper elektrisch geladen ist oder nicht. Eine quantitative Aussage, wie stark ein Körper elektrisch geladen ist, ist mit diesen beiden Hilfsmitteln jedoch nicht möglich.

Zur besseren Handhabung werden Glimmlampen – ähnlich wie Batterien – häufig mit einer Fassung versehen. Auf diese Art kann kann eine Glimmlampe mit geeigneten Steckern in einen Stromkreis eingebaut werden und als „Kontroll-Leuchte“ für eine anliegende Netzspannung dienen.


Anmerkung:

[1]Die enorme Ladungskapazität der Erde kann man sich anschaulich wie ein großes Becken mit ruhendem Wasser vorstellen. Wird daraus beispielsweise ein Eimer Wasser entnommen oder hinzu gegossen, so sinkt beziehungsweise steigt der Wasserspiegel nahezu unmerklich; die Oberfläche jedoch passt sich zeitgleich so an, dass an jeder Stelle die gleiche Füllhöhe vorliegt. Entsprechend ist auch die Ladungsmenge der „Erdung“ nahezu konstant und an allen Stellen der Erde gleich.

Hinweis

Zu diesem Abschnitt gibt es Experimente und Übungsaufgaben.